Premierminister Abiy Ahmed (2020). Foto: Creative Commons
Interview mit Paulos Asfaha Assistenzprofessor am Global Studies Institute der Universität Genf und Spezialist für das gegenwertige Äthiopien Interview von Sanjally Jobarteh sanjally.jobarteh@swisspeace.ch Communications Officer, swisspeace

Dieser Text ist die Zusammenfassung eines Interviews mit Paulos Asfaha, Assistenzprofessor am Global Studies Institute der Universität Genf und Spezialist für das gegenwertige Äthiopien.

Vor zwei Jahren war Abiy Ahmed in der internationalen Politlandschaft noch unbekannt und löste Misstrauen aus. Das änderte sich rasant, als er mit der Bekanntgabe seiner geplanten fortschrittlichen Reformen in Äthiopien für Begeisterung sorgte und die Rolle eines Hoffnungsträgers einnahm. Wie sieht die Situation heute aus und wie stehen seine Chancen auf eine Wiederwahl?

Kurz nach Amtsantritt von Abiy Ahmed im Jahr 2018 zeigte eine Fernsehsendung, die früher unter staatlicher Kontrolle gestanden hatte, ein Interview mit ehemaligen Gefangenen, die Opfer von Folter geworden waren – unvorstellbar unter dem vorherigen Regime. Das ist nur eines von vielen Symbolen der Demokratie, aufgrund derer die nationale und internationale Presse den jungen Premierminister in den höchsten Tönen lobte und ihn sogar mit Gorbatschow oder Deng Xiaoping verglich.

Diese Beliebtheit löst sich allerdings immer mehr in Luft auf, denn die Situation in Äthiopien hat sich nicht in allen Bereichen verbessert. Zum einen hat die Bevölkerung noch immer mit sozioökonomischen Problemen zu kämpfen, wie einer hohen Inflation, sehr tiefen Löhnen, einem unzureichenden Sozialsystem, katastrophalen Sozialdiensten und einem schwachen Bildungssystem. Zum anderen bedroht die angespannte Sicherheitslage den Wohlstand des Landes. Interethnische Gewalt äussert sich allerdings hauptsächlich verbal. Soziale Netzwerke werden zur Verbreitung von Hassreden verwendet, wobei ethnische Säuberungen, Völkermord und Pogromen zum Glück kein Thema sind. Diese Konflikte werden oft zu Unrecht mit der Machtübernahme von Abiy Ahmed in Verbindung gebracht. Die Ethnisierung der Politik in Äthiopien ist aber nichts Neues. Sie ist schon seit über 50 Jahren ein Thema.

Abiy Ahmed wird vorgeworfen, seine Reformen mit autoritären Mitteln eingeführt und eine Art Personenkult um sich herum aufgebaut zu haben. Ausserdem wird er beschuldigt, einige seiner Kritiker unterdrücken zu wollen. Ein Attentat drei Monate nach seiner Wahl bewog ihn dann tatsächlich zu einer Änderung seiner politischen Strategie. Es folgten Verhaftungen ohne berechtigte Gründe, und die Presse fühlte sich erneut bedroht. Auch wenn sich das Regime langsam in Richtung Demokratie bewegt, ist und bleibt es mit Sicherheitskräften und einer politischen Elite im Zentrum eines despotischen Systems autoritär aufgestellt.

Was die Wahlen anbelangt, so kann man jedoch davon ausgehen, dass diese demokratisch abgehalten werden. Die Wahlkommission ist unabhängig vom Staat und besteht aus Personen des Oppositionslagers aus Europa und den USA. Eine solche Situation gab es in Äthiopien noch nie – daher auch die hohen Erwartungen der Öffentlichkeit. Infolge des jüngsten Versuchs der Regierung, die anstehenden Wahlen auf August zu verschieben, hat sich das starke politische Interesse deutlich gezeigt: Sofort unterstellten die Regimekritiker der Regierung, die Wahlen absichtlich während der Regenzeit abhalten zu wollen, um die Menschen davon abzuhalten, wählen zu gehen. Wie die Festlegung des Datums, so werden auch die Wahlresultate genau unter die Lupe genommen werden. Sollten sich diese als unglaubwürdig erweisen, wird höchstwahrscheinlich erneut Gewalt aufkommen.

 

 

Interview mit Paulos Asfaha Assistenzprofessor am Global Studies Institute der Universität Genf und Spezialist für das gegenwertige Äthiopien Interview von Sanjally Jobarteh sanjally.jobarteh@swisspeace.ch Communications Officer, swisspeace