Der Freiwilligen-Monitor informiert über Freiwilligenarbeit in- und ausserhalb von Organisationen. Bild von der SGG
Schweizerische Gemeinnützige Gesellschaft (SGG) Lukas Niederberger lukas.niederberger@sgg-ssup.ch Geschäftsleiter SGG

Zunächst gratuliere ich KOFF, dass Sie das spannungsvolle Thema aufgreifen. Freiwilligenarbeit gilt als Ausdruck von Gemeinsinn und Solidarität schlechthin. Darum wagen es viele nicht, Freiwilligenarbeit als zivilgesellschaftliche Tugend, die Qualität der effektiv erbrachten Leistungen sowie mögliche Spannungen, die sich für die angestellten Mitarbeitenden von NPO und NGO ergeben, zu hinterfragen. Das Verhältnis zwischen bezahlten und unbezahlten Mitarbeitenden ist komplex.

Die Tatsache, dass Freiwillige unentgeltlich wirken, bedeutet nicht, dass sie keine Erwartungen und Ansprüche an die NPO und NGO haben, für die sie wirken. Gerade weil sie in einer monetär geprägten Welt auf finanzielle Entschädigung verzichten, legen sie umso mehr Wert auf immaterielle Werte, auf die man in der Lohnarbeit oftmals verzichtet. Freiwillige wollen ihren Einsatz als sinnvoll erfahren und erwarten in der Tätigkeit Freude und Gemeinschaft. Viele Freiwillige suchen in der unbezahlten Arbeit bewusst keine Verantwortung und Führungsaufgaben, sondern menschliche Kontakte z.B. in der Betreuung. Nichtsdestotrotz wollen sie in den Projekten und Organisationen zunehmend aktiv mitreden und mitentscheiden. Freiwilligenarbeit darf heute zudem nicht mehr mit den Anforderungen von Familie, Beruf und Hobbies kollidieren. Auch ist die Wertekongruenz der Institutionen entscheidend für die Motivation von Freiwilligen.

Freiwillige erwarten heute analog zur Personalführung im Erwerbsleben eine professionelle Begleitung im ehrenamtlichen Engagement. Von der Rekrutierung und Einführung über Weiterbildungsangebote und Zeichen der Anerkennung bis zum abschliessenden Zeugnis erwarten immer mehr Freiwillige ein professionelles Freiwilligen-Management.

Um Spannungen zwischen Freiwilligen und Angestellten insbesondere im Care-Bereich zu vermeiden, ist es sinnvoll, Freiwillige für Arbeiten einzusetzen, wo vor allem Präsenz ohne berufliche Voraussetzungen gefragt ist. Dennoch wächst in der Freiwilligenarbeit zunehmend die Professionalisierung. Nicht nur in Vereinsvorständen und Stiftungsräten werden Profi-Kompetenzen benötigt, sondern auch bei scheinbar einfachen Freiwilligenarbeiten, wo immer mehr staatliche oder interne Regulierungen existieren.

Freiwilligenarbeit rückt generell immer näher an die Logik und das Paradigma der Erwerbsarbeit heran. Kein Wunder, dass der Ruf nach Effektivitäts-, Effizienz- und Qualitätskriterien in der Freiwilligenarbeit entsprechend lauter wird. Zunehmend erhalten Freiwillige auch Leistungsaufträge vom Staat und werden entsprechend kontrolliert. Die Frage ist darum nicht absurd, ob und inwieweit freiwilliges Engagement ein Vertragsverhältnis darstellt, das unter das Arbeitsrecht fällt. Freiwilligenarbeit verliert zunehmend seinen Charakter als Gegenmodell zur Zweckrationalität der Erwerbsarbeit. In der Freiwilligenarbeit sollte man auch künftig die Möglichkeit haben, ohne hohe Hürden formaler Ausbildungen Neues wagen sowie andere Fähigkeiten ausprobieren und entwickeln zu können. Freiwilligenarbeit sollte weiterhin ein unbezahlbarer individueller und gesellschaftlicher Luxus bleiben.

Schweizerische Gemeinnützige Gesellschaft (SGG) Lukas Niederberger lukas.niederberger@sgg-ssup.ch Geschäftsleiter SGG