Daniel Langmeier in der Sendung «Top Secret» vom 19. Oktober 2016

Daniel Langmeier engagiert sich seit über zehn Jahren im sozialen Bereich. Fragestellungen zu Globalisierung, sozialer Gerechtigkeit und den Nord-Südbeziehungen begleiten ihn in allen Lebensbereichen. Gerade hat er einen Master in Entwicklungsstudien abgeschlossen. Seine grosse Passion für die Menschenrechte und die Friedensförderung in Honduras begann vor sechs Jahren. Per Zufall stiess er damals auf eine Anzeige von Peace Watch Switzerland über «Menschenrechtsbegleitende». Kurzerhand meldet er sich für eine Informationsveranstaltung an, die ihn auch gleich überzeugt. 2013 reist er als Menschenrechtsbegleiter nach Honduras und zwar nicht mit dem Flugzeug, sondern mit dem Schiff – drei Wochen lang. Warum? Einfach um zu zeigen, dass es auch ohne Flugzeug geht. Diese gesunde Portion Freigeist braucht der Zürcher auch, um überhaupt nach Honduras zu gehen, denn das Land ist ein hartes Pflaster: Der Staat hat eine der höchsten Mordraten der Welt und die Zivilgesellschaft wird von der Regierung mit allen Mitteln unterdrückt.

Zurück in der Schweiz endet sein Einsatz nicht. Im Gegenteil, jetzt geht es erst richtig los! Er tritt dem «Honduras Forum Schweiz» bei, welches die Zivilgesellschaft in Honduras unterstützt und in mehreren Projekten mit swisspeace zusammenarbeitet. Die Beteiligten haben viele Ideen, nur leider meist nicht die nötigen finanziellen Mittel. So kommt Daniel der Gedanke, in einer Fernseh-Quizshow teilzunehmen. Warum auch nicht? Bei seinen Grosseltern zu Besuch – er selbst hat keinen Fernseher – entdeckt er die Sendung «Top Secret». Einmal mehr packt er die Gelegenheit beim Schopf und meldet sich an. Die Antwort lässt lange auf sich warten. Doch ca. ein Jahr später sitzt Daniel, entgegen seiner eigenen Erwartungen, tatsächlich auf dem Kandidatenstuhl bei «Top Secret».

Die ersten Fragen meistert Daniel ohne grössere Probleme. In der Politik kennt er sich aus und sein Allgemeinwissen hilft ihm gute Schätzungen zu treffen. Dann kam die folgende Frage: «Was geschah in der Geschichte von Rivella zuletzt? ». die Auswahl: «Einführung Schraubenverschluss bei Literflaschen», «Wird Sponsor der Ski-Nati», «Erste TV-Werbung wird ausgestrahlt» oder «Lancierung Rivella Blau». Wer weiss das schon?  Daniel tippt auf die Lancierung von Rivella blau. Er liegt falsch und der Hauptgewinn von 100’000 Franken ist weg. Jetzt wird es richtig spannend, denn er kann nur noch entweder 50’000 Franken oder relativ erbärmliche 100 Franken gewinnen. Die Frage lautet: «Wer war jünger beim ersten Triumph? ». War es Lara Gut oder Martina Hingis? Er muss raten und er ratet richtig. Somit gewinnt er 50’000 Franken und widmet die ganze Summe dem Projekt in Honduras. Alles andere wäre «zu undemokratisch», so Daniel.

Er fragt Anna Leissing, Leiterin KOFF bei swisspeace um Rat, wie das Geld am effektivsten eingesetzt werden kann. Weitere Personen – auch aus der Region – werden konsultiert und das Thema wird bei mehreren Tassen Tee besprochen. Es geschieht schliesslich nicht alle Tage, dass eine solche Summe zur Verfügung steht, ohne dass sie an Konditionen oder administrative Auflagen gebunden ist. Was brauchen die Leute in Honduras, das die grossen NGOs nicht anbieten wollen oder können? Im März 2016 wird die Menschenrechtsverteidigerin Berta Cáceres ermordet. Der Schock sitzt tief. Es herrscht Trauer, Enttäuschung und eine gewisse Lähmung unter den Aktivisten_innen. Auch verdeutlicht der Vorfall die Grenzen der aktuellen Arbeit: Er relativiert was «Sicherheit» überhaupt bedeutet. Daniel und seinen Mitstreitern_innen wird klar, dass die psychosoziale Dimension nicht genügend abgeholt wird. Die Menschen haben ein grosses Bedürfnis, sich in einer geschützten Gemeinschaft mit den alltäglichen Erfahrungen von Gewalt, Tod und Straflosigkeit auseinanderzusetzen. Anhand einer psychosozialen Lerngemeinschaft für Menschenrechtsverteidiger_innen in Honduras soll diesem Bedürfnis ein Stück weit entgegengekommen werden. Die Idee für das 50’000 Franken Projekt ist geboren!

Konkret sieht die Vision wie folgt aus: In Konfliktgebieten bringt die alltägliche Konfrontation mit Gewalt und Zerstörung sowie die konstante Bedrohung an Leib und Leben die Menschen an ihre Belastungsgrenzen. Anhand von Workshops sollen diese Personen lernen, besser mit dieser Situation umzugehen. Hierzu gibt es verschiedene Methoden, denen kaum Grenzen gesetzt sind: Meditation, Rollenspiele, Yoga, Tanz, Gruppengespräche usw. Wichtig ist, dass den Leuten geholfen wird ihre Gefühle anzuerkennen und ihnen Raum zu geben damit sie wieder handlungsfähig werden.

Diese Lerngemeinschaft wird von den Beteiligten in ihrer Freizeit organisiert. Immerhin sollte das gewonnene Geld nicht in Schweizer Lohnkosten fliessen, sondern vor Ort etwas bewirken. «Es war schwierig sich nicht zu überfordern, denn einerseits will man das Projekt vorantreiben, andererseits muss man sich dafür immer wieder Freiräume schaffen», meint Daniel. Für die letzten Vorbereitungen kann er schliesslich sogar vor Ort gehen, was die Koordination erleichtert. Es folgt allerdings ein herber Rückschlag: Daniel wird aufgrund seines langjährigen Engagements für die Menschenrechte und den Frieden in Honduras bedroht. Kurz bevor die Lerngemeinschaft beginnt, musste er aus Sicherheitsgründen das Land umgehend verlassen.

Doch ganz im Sinne seines unermüdlichen Einsatzes, wird die Lerngemeinschaft trotzdem durchgeführt. Über mehrere Tage tauschen sich die Teilnehmenden aus, tanzen, malen und tanken neue Kraft und Motivation. Ein Ort des Rückzugs wird geschaffen, an dem offen geredet werden darf. Auch heute noch – ein Jahr später – werden die Workshops fast in jedem Gespräch und bei jedem Treffen mit den Partnerorganisationen erwähnt, sagt Daniel. Zudem wurde die Idee bereits mehrmals wieder aufgegriffen. Dies beweist, wie wichtig kreative und ungebundene Projekte in der Friedensförderung sein können. Projekte, deren quantitative Wirkung nicht direkt messbar ist, aber von denen alle Beteiligten wissen, dass es sie dringend braucht. «Vielleicht ist Sicherheit manchmal nicht ein Panzer, sondern ein Tanz», schliesst Daniel.