Nationaler Streik am 28. April 2021 in Bogotá, Kolumbien. Byron Jimenez/Unsplash
terre des hommes schweiz Andrea Zellhuber andrea.zellhuber@terredeshommes.ch Themenverantwortliche Gewaltprävention

In Lateinamerika wurde der Handlungsspielraum für die Zivilgesellschaft in den letzten Jahren zunehmend durch Einschüchterung, Schikanen und Kriminalisierung eingeschränkt. Menschenrechtsverteidiger:innen und Journalist:innen sind hohen Risiken ausgesetzt und erleben häufig Gewalt. Auf Demonstrationen antworten Staaten mit Repression und Polizeigewalt. Feminist:innen, Indigene und Umweltschützer:innen sowie Jugend- und Gewerkschaftsführer:innen sind besonders gefährdet. Allein in Kolumbien und Brasilien wurden letztes Jahr Hunderte von sozialen Aktivist:innen ermordet.

Während der Covid-19 Pandemie wurden in vielen der Programmländer von terre des hommes schweiz Lockdowns zur Verstärkung undemokratischer Tendenzen missbraucht. Bürgerrechte wie die Versammlungsfreiheit wurden ausser Kraft gesetzt. Autoritäre Tendenzen nahmen zu. Es kam eine schleichenden Verschärfung der Kontrolle: In vielen Ländern wurden NGO-Gesetze erlassen, welche bürokratische und administrative Anforderungen für NGOs erhöhen. Der grosse Aufwand, den bürokratische Anforderungen gerecht zu werden, bindet viele Zeitressourcen und Energie. Gezielte Verleumdungskampagnen in den Medien sind eine weitere Strategie zur Einschüchterung der Zivilgesellschaft, insbesondere Soziale Medien sind ein effizientes Instrument dafür.  Mitglieder von NGOs werden als “bezahlte politische Aktivist:innen” oder “feindliche Agent:innen” bezeichnet. Wenn zusätzlich Proteste gewaltsam niedergeschlagen werden und mit massenhaften Inhaftierungen einhergehen, wie beispielsweise während des letztjährigen monatelangen Generalstreiks in Kolumbien, entsteht ein Klima der Angst, welches das Engagement der Zivilgesellschaft beeinträchtigt.

Wie müssen wir unsere Programme anpassen?

Unter diesen Rahmenbedingungen ist es zentral, dass internationale NGOs ihre Netzwerke und ihren Einfluss nutzen, um sich für ihre Partnerorganisationen einzusetzen, die hohen Sicherheitsrisiken und Einschüchterungen ausgesetzt sind. terre des hommes schweiz passt ihre Programme an, indem sie Unterstützungsfonds von rechtlicher Notfallberatung entwickelt und Weiterbildungen zu Sicherheitsplänen und Risikoanalysen priorisiert. Auch Programme für psychosoziale Unterstützung von Aktivist:innen und Basisorganisationen sind sehr wichtig, um nicht durch Angst und Verunsicherung gelähmt und handlungsunfähig zu werden. In Zeiten von Instabilität und Bedrohung für Organisationen der Zivilgesellschaft werden Prinzipien der langfristigen Partnerschaften und Grundfinanzierung der Organisationen wichtiger denn je. Gerade die Diffamierung von NGO-Arbeit im öffentlichen Diskurs fordert uns heraus, mehr zu investieren in klare und einfach zugängliche Kommunikation über die Rolle von Zivilgesellschaft als wichtige Pfeiler einer demokratischen und friedlichen Gesellschaft. Denn wenn eine breite Öffentlichkeit die Bedeutung der Arbeit von NGOs versteht, stossen Strategien von Diffamierung und Delegitimierung ins Leere. Dabei geht es mehr darum, proaktiv ein kraftvolles Gegen-Erzählungen zu schaffen, als lediglich auf Anfeindungen zu reagieren.

Als internationale NGOs sind wir ausserdem gefordert unsere Vernetzung mit anderen Organisationen zu stärken, die in einem spezifischen Kontext tätig sind. Gemeinsame Analysen und koordinierte Advocacy Strategien sind wichtige Ansätze, um Kräfte zu bündeln und realistische Handlungsmöglichkeiten zu entwickeln. NGO-Plattformen wie KOFF und länderspezifische Austauschformate haben hier eine strategische Bedeutung.

 

 

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