Windpark, Turkana-See, Kenia. DFID/Will Crowne
swisspeace Evelyn Dietsche Evelyn.Dietsche@swisspeace.ch Senior Business Lead swisspeace Fabian Hofmann Ehmaliger Zivildienstleistender

In den letzten beiden Jahrzehnten haben zahlreiche Länder und Einzelpersonen vom globalen Energiesystem mit fossilen Brennstoffen profitiert, insbesondere in der industrialisierten Welt einschliesslich der Schweiz. Die Schattenseite ist, dass bei der Verbrennung fossiler Energieträger CO2 und andere Treibhausgase freigesetzt werden, und zwar in einem Mass, das die globale Durchschnittstemperatur dramatisch steigen lässt. Wissenschaftler warnen: Bei einem Anstieg um 2 Grad gegenüber dem vorindustriellen Niveau werden die veränderten Klimabedingungen zur existentiellen Bedrohung der Menschheit und unseres Lebens, wie wir es kennen.

2015 unterzeichneten über 190 Staaten, darunter auch die Schweiz und die Europäische Union, anlässlich der UN-Klimakonferenz das Übereinkommen von Paris, mit dem Ziel, die globale Erwärmung unter der Schwelle von 2 Grad zu halten. Seitdem sind die Preise für Solar- und Windenergie überraschend drastisch gesunken und saubere Energietechnologien haben sich wesentlich schneller weiterentwickelt, als man das 2015 für möglich gehalten hätte. Diese Trends stärken das Vertrauen, dass es technisch und finanziell machbar ist, den Temperaturanstieg unterhalb der Schwelle zu halten. Die sozioökonomische Plausibilität der Energiewende hängt jedoch in erster Linie davon ab, ob die Länder, die grosse Mengen an fossiler Energie verbrauchen, im kommenden Jahrzehnt zu raschem Handeln bereit sind. Für viele, auch für die Schweiz, erweist sich diese Aufgabe als schwierig, da sich die nationalen Wählerschaften nur sehr zögerlich von ambitionierten Emissionssenkungsmassnahmen überzeugen lassen.

Wie dem auch sei, fragile Staaten sind nicht nur vom eigentlichen Klimawandel betroffen, sondern auch von der Klimapolitik der Importländer fossiler Brennstoffe und von der Geschwindigkeit, mit der sie ihre Investitionen in saubere Energietechnologien erhöhen.

Zu den zusätzlichen Herausforderungen gehört erstens der Umstand, dass zahlreiche fragile Staaten fossile Brennstoffe exportieren und auf die Einnahmen dieses Sektors angewiesen sind. Der Verlust dieses Einkommens könnte die Elitebündnisse und Gönnerbeziehungen gefährden, die bisher in einigen Ländern zumindest für eine gewisse politische und wirtschaftliche Stabilität gesorgt haben. Mögliche Folgen sind das erhöhte Risiko eines Staatszerfalls und die Entstehung zerstreuterer lokaler Autoritäten, die versuchen, die Bevölkerung und den Zugang zu natürlichen Ressourcen mit Gewalt zu kontrollieren.

Eine zweite Herausforderung besteht darin, dass sich für fragile Staaten mit den Bodenschätzen, die für eine breite Verwendung und den Ausbau von sauberen Energietechnologien benötigt werden, zusätzliche Chancen eröffnen. Allerdings tun sich global tätige Börsenunternehmen, die sich internationalen Grundsätzen, Leitlinien sowie RBC- und ESG-Standards für verantwortungsvolles unternehmerisches Handeln und für gute Leistungen im Hinblick auf Umwelt, Soziales und Gouvernanz verschrieben haben, schwer damit, dass viele dieser Ressourcen aus fragilen Kontexten stammen. Es könnte zu einer Verzerrung kommen, wenn fragile Staaten infolgedessen Investitionen von opportunistischeren Privatunternehmen – womöglich auch mit Sitz in der Schweiz – anziehen, die sich wenig Gedanken darüber machen, welche Konsequenzen ihre Geschäfte für die Umwelt und die Gesellschaft haben und welches Vermächtnis sie hinterlassen.

Drittens bestehen in fragilen Staaten mit hohem Potential für grossangelegte Solar- und Windenergieprojekte oder Biomasseernten ähnliche RBC- und ESG-Risiken und dieselben Investitionsvorbehalte wie bei fossilen Energieträgern und dem Abbau von Rohstoffen. Dazu zählen beispielsweise Konflikte über den Besitz und die Nutzung von Land oder knappe Wasserressourcen, das Verhalten von beauftragten Sicherheitskräften und die Missachtung von Arbeitsschutz oder Kinder- und Menschenrechten im Allgemeinen.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Energiewende neben den Auswirkungen des Klimawandels zusätzliche Risiken birgt, die die wirtschaftliche, politische und soziale Vulnerabilität fragiler Staaten verstärken könnten. Daher ist es wichtig, dass Friedensfördernde, humanitäre Hilfseinrichtungen und Entwicklungsorganisationen hinsichtlich bestimmter fragiler Kontexte das Gesamtbild dieser Risiken im Blick behalten. swisspeace wird dazu einen Policy Brief veröffentlichen, der sich näher mit den Folgen der Energiewende für fragile Staaten befasst.

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