Luiz Eduardo Lopes Silva präsentiert die Arbeit des Netzwerks für Peripheriestudien (REP - Rede de Estudos Periféricos) an einem KOFF-Rundtisch in Basel. Terre des hommes
REP - Rede de Estudos Periféricos Luiz Eduardo Lopes Silva Assoziiertes Mitglied der Maranhense Society for Human Rights (SMDH), Professor an der UFMA und EJA PRISIONAL (seduc - MA)

Brasilianische Städte sind durch ein hohes Mass an bewaffneter Gewalt gekennzeichnet, die aufgrund der Polizeieinsätze, mit denen ganze Randbezirke und rassifizierte Viertel terrorisiert werden, die Merkmale eines «nicht deklarierten Konflikts» aufweist. Diese gewalttätigen Interventionen sind in weitreichendere wirtschaftliche, kulturelle und politische Formen der Gewalt eingebettet, die insbesondere die Angehörigen rassifizierter und armer Bevölkerungsgruppen in den Städten betreffen.

Im brasilianischen Bundesstaat Maranhão, der eine der welthöchsten sozialen Ungleichheiten und ein tiefgreifendes Erbe der Sklaverei aufweist, herrscht in städtischen und ländlichen Gemeinden ein «Ausnahmezustand». Grosse Teile der Bevölkerung, in der ein ausgeprägtes Rassen- und Klassengefälle herrscht, werden immer wieder Ziel von privater und staatlicher Gewalt. Die strukturellen Ursachen dieser Gewalt werden sowohl in öffentlichen Debatten als auch bei politischen Reaktionen im Allgemeinen übersehen.

Ausgeschlossene und diskriminierte Bevölkerungsgruppen in der Peripherie sind daher entscheidende Akteur:innen, wenn es darum geht, den öffentlichen Diskurs zu vertiefen und die Perspektiven der Politikgestaltung zu verändern. Das Netzwerk für Studien der Peripherie (REP – Rede de Estudos Periféricos) ist ein hervorragendes Beispiel dafür, wie betroffene Akteur:innen Wissen in Kontexten produzieren können, in denen offizielle Statistiken den Umfang der (insbesondere Polizei-)Gewalt nicht realistische wiedergeben. Die Organisation bringt Forschende aus marginalisierten Gemeinschaften zusammen, um im offiziellen Diskurs vernachlässigte und geleugnete Fakten über städtische Gewalt zu dokumentieren und aufzudecken. Das REP geht davon aus, dass Wissen in einem komplexen Netzwerk von Kooperationen entsteht und betont dessen kumulativen, demokratischen und horizontalen Charakter. Es führt Forschungen auf der Grundlage einer pluralistischen und analytischen Methode durch, indem es sich mit peripheren Akteur:innen, ihren Praktiken und ihrer Form der Selbstrepräsentation beschäftigt.

Die Initiative ist das Ergebnis einer Bildungspolitik, die zwischen 2003 und 2016 von der früheren brasilianischen Regierung eingeführt wurde und den Zugang von Millionen junger Schwarzer, Indigener und People of Color (BIPOC) zu Universitäten förderte. In vielen Fällen waren diese jungen Menschen die ersten in ihren Familien mit dieser Möglichkeit. Heute produzieren sie Wissen in verschiedenen Bereichen.

Solche Netzwerke setzen sich aus Akteur:innen mit bedeutender Forschungs- und Bildungserfahrungen zusammen. Sie tauschen Wissen zwischen Universitäten und marginalisierten Gemeinschaften aus und schlagen neue Denkansätze vor. Mit einem multidisziplinären und interinstitutionellen Ansatz haben sie sich auf die brasilianische Peripherie spezialisiert und sind mit der Bundesuniversität (UFMA) und dem Bundesinstitut (IFMA) verbunden. Ein besonderer Fokus liegt auf Maranhão, das als sozialer Komplex verstanden wird, der durch die Vielfalt politisch-ökonomischer und kultureller Phänomene gekennzeichnet ist.

Um das im Bereich der öffentlichen Sicherheit in Brasilien vorherrschende «Kriegsparadigma» zu kritisieren und zu dekonstruieren, arbeitet das Netzwerk der Sicherheitsbeobachtungsstellen (eine Partnerorganisation von REP) als ein Zusammenschluss von miteinander verbundenen Initiativen. Im Bereich «Datenaktivismus» haben sich sieben Organisationen aus den sieben Bundesstaaten Bahia, Ceará, Maranhão, Pernambuco, Piauí, Rio de Janeiro und São Paulo zusammengeschlossen, um im ständigen Dialog mit der Zivilgesellschaft und sozialen Bewegungen Daten und Informationen über öffentliche Sicherheit, Gewalt und Menschenrechte zu überwachen, zu interpretieren und zu veröffentlichen.

REP und das Netzwerk der Sicherheitsbeobachtungsstellen vereinen diejenigen, die die brutalsten Seiten des täglichen Lebens in der Peripherie erlebt haben. Sie tragen dazu bei, die Geschichte aus der Sicht der Betroffenen neu zu schreiben, indem sie die dominanten Narrative des Staates, der Medien und der Unternehmen kritisch analysieren.

 

REP - Rede de Estudos Periféricos Luiz Eduardo Lopes Silva Assoziiertes Mitglied der Maranhense Society for Human Rights (SMDH), Professor an der UFMA und EJA PRISIONAL (seduc - MA)