N° 160
April 2019
Will McInerney

Über Will McInerney

Will mag Herausforderungen. Deswegen entschied er sich ursprünglich für ein Studium in Elektrotechnik und Bauingenieurswesen – den schwierigsten Studiengang seiner Universität. Allerdings blieb der Funke, der den Motor zum Laufen bringt, aus. Als Ausgleich zu dem von Zahlen dominierten Studium, wandte er sich deshalb dem Dichten zu und entdeckte dabei nicht nur wer er war, sondern auch wer er sein wollte und so stellte es sich heraus, das war kein Ingenieur. Er verliess das Energieunternehmen, bei dem er arbeitete und begann ein Studium im Bereich der Friedens- und Konfliktstudien. Seine Leidenschaft für das Dichten und sein Engagement in der Friedensförderung ergänzten sich hervorragend. Bald war er Dichter, Journalist und Pädagoge, der andere durch «Spoken Word» in ihrer persönlichen Entwicklung unterstützte. Seine Erfahrungen in diesen unterschiedlichen Bereichen führten dazu, dass er den Fokus seiner Arbeit auf junge Männer legte. Nach mehreren Jahren als Pädagoge stellte er jedoch fest, dass er immer wieder denselben Hürden begegnete, die er nicht überwinden konnte. Daraufhin beschloss er, Antworten in der Wissenschaft zu suchen, was ihn schliesslich zu seinem PhD-Studium nach Cambridge brachte. Trotzdem führt er seine Arbeit als Pädagoge fort, wie beispielsweise unlängst im Rahmen der Master Class zu Dichtung, Gender und Frieden bei KOFF.

Arbeit mit jungen Männern

Über die Jahre und in seinen verschiedenen zuvor genannten Rollen entdeckte er, was er das «pattern of he» (das Er-Muster) nennt. Ob er als Journalist in Konfliktgebieten tätig war oder mit jungen Erwachsenen arbeitete; im Zentrum stand das Thema Gewalt und wie er feststellte, handelte es sich überwiegend um Gewalt von Männern. Wenn er zu einer friedlicheren Gesellschaft beitragen wollte, schien es ihm daher offensichtlich, sich auf diejenigen zu konzentrieren, die oftmals zu einem weniger friedlichen Zusammenleben beitragen. Sein Fokus verlegte sich daher von jungen Menschen im Allgemeinen zu jungen Männern. An dieser Stelle ist es wichtig zu betonen, dass zwar die meisten Gewalttaten von Männern begangen werden, dass aber die meisten Männer keine direkte Gewalt ausüben.

«Natürlich sind nicht alle Männer gewalttätig, natürlich gibt es auch Frauen und gender-nonkonforme Personen, die gewalttätig sind sowie es ebenfalls Männer gibt, die Opfer von Gewalt werden. Allerdings sind Männer gemäss unserem Verständnis der Forschungsdaten, überwiegend die Urheber von Gewalt und das ist ein weltweit verbreitetes Phänomen. »

Dennoch glaubt Will, dass allen Männern eine besondere Verantwortung zukommt. Einerseits liegt dies daran, dass es keine klare Unterscheidung von «guten» und «schlechten» Männern gibt, denn selbst wer keine direkte Gewalt gegen Frauen ausübt, aber schweigend zuschaut, wenn andere (in-)direkte Gewalt ausüben, macht sich mitschuldig. Andererseits sind Geschlechterungleichheiten in einer patriarchalen Gesellschaft unweigerlich mit den Privilegien verbunden, die den Männern dieser Gesellschaft zukommen. Männer haben daher ungeachtet dessen, ob sie dies wollen oder nicht, eine Machtposition und damit eine wichtige Verantwortung inne.

«Ich komme von einer klaren Unterscheidung von ‘guten’ und ‘schlechten’ Männern weg […]. Niemanden zu schlagen ist nicht gut genug, wir haben einen höheren Standard und wir glauben, dass Männer diese Erwartungen erfüllen können, sollen und werden.»

Hin zu einer faireren und gleichberechtigteren Gesellschaft

Um auf eine gerechtere Gesellschaft in Bezug auf Gender hinzuarbeiten, müssen starre Geschlechternormen grundlegend hinterfragt werden. Ausserdem müssen wir erkennen, dass auch Männer von einem grundlegenden Umdenken profitieren können. Aktuelle Interpretationen von Maskulinität, oftmals bekannt als dominant, hegemonistisch oder toxisch, tragen zur niedrigeren Lebenserwartung, den schlechteren schulischen Leistungen und den höheren Selbstmordraten von Männern bei. Im Gegensatz dazu, lassen alternative, friedliche oder feministische Maskulinitäten Raum für komplexere und differenziertere Identitäten. Dem «Patriarchat untreu zu sein» bedeutet dementsprechend, sich für eine Welt einzusetzen, in der Männer einige ihrer unbegründeten Privilegien verlieren, gleichzeitig jedoch gesünder und glücklicher leben könnten.

So eine Veränderung bedarf eines langen und gemäss Will eines kreativen Prozesses. Das Dichten kann jungen Männern helfen, sich alternative Maskulinitäten vorzustellen. Es ist ein Mittel, um eine persönliche Vorlage zu entwickeln, wie positive Maskulinitäten aussehen könnten, basierend auf individuellen Lebenserfahrungen. Er betont jedoch auch, wie wichtig es ist, dass sich junge Männern der Tragweite der Maskulinitäten über die eigene Persönlichkeit hinaus bewusst werden. Vielmehr sollten Maskulinitäten als Praktiken auf persönlicher, zwischenmenschlicher, struktureller, materieller und diskursiver Ebene verstanden werden.

«Friedliche Maskulinitäten sind kreative Maskulinitäten. Um Veränderung voranzutreiben, müssen wir mit kreativen, kritischen Mitteln zu Gewalt neigende Maskulinitäten sowie starre Geschlechterordnungen überdenken, überwinden und durchbrechen.»

Während Will wiederholt betont, dass Frauen keineswegs dazu verpflichtet sind, Männer in dieser Debatte anzuleiten, ist es trotzdem essentiell deren Perspektive miteinzubeziehen. Er versteht die Position der Männer in dieser Diskussion als eine, die verhandelt und mit Sorgfalt aufgebaut werden muss. Aufgrund der Erfahrungen, die Frauen in der Vergangenheit sowie in der Gegenwart mit zu Gewalt neigenden Maskulinitäten gemacht haben sowie ihrer Anstrengungen diesen Gendernormen entgegenzuwirken, können sie wertvolle Aufschlüsse zu diesen Themen liefern, die Diskussion mitgestalten und Männer weiterhin zur Verantwortung ziehen.

Will möchte jungen Männern die folgende wesentliche Botschaft mitgeben: Es ist zugleich sehr einfach und sehr komplex. Während es einfach ist zu verstehen, dass wir auf eine gerechtere und gleichberechtigtere Welt hinarbeiten sollten, wird es schnell komplex, wenn es darum geht wie wir dies erreichen können. Das bedeutet jedoch nicht, dass wir es nicht trotzdem versuchen sollte.

«Ich bin mir bewusst, dass ich ein sehr kleines Rad in einem sehr grossen komplizierten Getriebe bin; aber ich bin dieses Rad und die Frage ist: Was mache ich damit? Ich will dies nutzen, um zu versuchen, einen positiven Beitrag zu leisten und Teil von Gemeinschaften, Systemen, Kulturen und Strukturen sein, die ebenfalls Teil dieser Veränderung sind.»