Ein Kind zeichnet während einer Intervention zur psychischen Gesundheit von Médecins du Monde im Norden des Westjordanlandes, 2020. Médecins du MondeFrankreich
Peace Watch Schweiz Sarah Slan sarah.slan@peacewatch.ch Koordination Israel Palästina und Trainings

Am 23. Dezember 2020 – nur wenige Tage, nachdem Israel seine COVID-19-Impfkampagne ausschliesslich für die israelische Bevölkerung, nicht jedoch für im Westjordanland und im Gazastreifen lebende Palästinenserinnen und Palästinenser, gestartet hatte – veröffentlichten 20 palästinensische, israelische und internationale Gesundheits- und Menschenrechtsorganisationen eine gemeinsame Stellungnahme. Darin hiess es: «Die israelischen Behörden müssen ihren rechtlichen Verpflichtungen nachkommen und auch die unter israelischer Besatzung und Kontrolle lebende palästinensische Bevölkerung im Westjordanland und in Gaza mit qualitativ hochwertigen Impfstoffen versorgen.»

Diese «rechtlichen Verpflichtungen» gehen auf internationale Menschenrechtskonventionen und humanitäres Völkerrecht zurück, wonach der Staat Israel als Besatzungsmacht verpflichtet ist, die Gesundheit und die medizinische Versorgung der betroffenen Palästinenserinnen und Palästinenser sicherzustellen und zu schützen.

Die COVID-19-Pandemie hat das ohnehin schon unterentwickelte, unterfinanzierte und zersplitterte palästinensische Gesundheitssystem zusätzlich geschwächt. Gleichzeitig enthüllte sie Israels mangelnde Bereitschaft, Verantwortung für die Gesundheitsversorgung der palästinensischen Bevölkerung im BPG zu übernehmen. Stattdessen hält der Staat dort an seiner restriktiven Politik fest, oft mit negativen Auswirkungen auf die körperliche und geistige Gesundheit der Menschen, die Verfügbarkeit und den Zugang zu Gesundheitsdiensten sowie die Entwicklung des gesamten palästinensischen Gesundheitssystems.

Ghada Majadle, Leiterin der Abteilung für das besetzte Gebiet bei Physicians for Human Rights Israel, und Jenny Higgins, Koordinatorin für Öffentlichkeitsarbeit bei Médecins du Monde in Palästina, hat diese Situation gezeigt, wie wichtig es ist, Gesundheitsversorgung mit politischer Fürsprache zu kombinieren: «Man kann keine medizinische Hilfe leisten, ohne über Politik zu reden, denn das Gesundheitssystem [befindet sich nicht in einem Vakuum], sondern wird durch die militärische Besetzung im Westjordanland und die Belagerung im Gazastreifen beeinträchtigt», so Majadle. Higgins spricht von «zwei Seiten der Medaille»: «Einerseits gilt es, auf unmittelbare Bedürfnisse zu reagieren. Andererseits versuchen wir, die Ursache dieser Ungerechtigkeit anzupacken.»

Die beiden Frauen argumentieren, dass eine nachhaltige Entwicklung nur möglich ist, wenn neben der medizinischen Tätigkeit einer Organisation auch gute Arbeit im Advocacy-Bereich geleistet wird. Begleitend muss eine Risikoanalyse durchgeführt werden, um lokale Gemeinschaften und Mitarbeitende nicht zu gefährden und das richtige Gleichgewicht zwischen Interessensvertretung und medizinischer Hilfe zu finden, je nach den kurz- und langfristigen Zielen einer Organisation. Dennoch betrachten sie die Gesundheitsversorgung als effektives Tätigkeitsfeld, das diskriminierende Strukturen und Praktiken hinterfragen kann: «Wenn Organisationen in einem so spezifischen und grundlegenden Bereich wie der Gesundheitsversorgung tätig sind», erläutert Higgins, «haben sie ein starkes Mandat und einen geschärften Blick, um die israelische Besetzung und ihre Folgen für das Recht der Palästinenserinnen und Palästinenser auf Gesundheit kritisch zu prüfen und zu beurteilen.»

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