Ein ugandischer Soldat, der im Rahmen der Mission der Afrikanischen Union in Somalia (AMISOM) dient, überprüft am 27. April 2020 im Rahmen der Maßnahmen zur Verhinderung der Ausbreitung des Covid-19-Virus die Temperatur eines somalischen Sicherheitspersonals. AMISOM Foto/Steven Candia
DCAF – Geneva Centre for Security Sector Governance Dawn Lui Wissenschaftlicher Mitarbeiter Abteilung Politik und Forschung

In Notfällen kommt häufig der Sicherheitssektor als Ersthelfer zum Einsatz, was Fragen und Bedenken bezüglich Rechenschaft und Aufsicht aufwirft, die untrennbar damit verbunden sind. In ihrem Kern ist die COVID-19-Pandemie eine Krise der öffentlichen Gesundheit, ihre Auswirkungen sind jedoch ebenso weitreichend wie schwerwiegend. Der Wert demokratischer Gouvernanz liegt darin, nicht nur aktuelle, sondern auch aufkommende Herausforderungen im Bereich der Sicherheit anzugehen. Leider hat diese Pandemie Entwicklungen mit sich gebracht, welche die Gewährleistung individueller und nationaler Sicherheit innerhalb demokratisch geführter, rechenschaftspflichtiger und effektiver Sicherheitssektoren erschweren. Pandemien treffen eben nicht alle Menschen gleichermassen, sondern wirken sich auf die verletzlichsten und unterrepräsentiertesten Gruppen unverhältnismässig stark aus.

Ähnlich wie andere aktuelle Sicherheitsfragen (gemischte Migration, Cybersicherheit, Klimawandel usw.) ist auch die  COVID-19-Pandemie eine transnationale, grenzüberschreitende Krise. Ausserdem sollen in dieser Krise inländische Sicherheitsanbieter_innen Aufgaben übernehmen, die normalerweise nicht zu ihren Rollen und Verantwortlichkeiten gehören, und die multisektorale Zusammenarbeit ist eine entscheidende Komponente, wenn es darum geht, allen Frauen, Männern, Jungen, Mädchen und geschlechtlichen Minderheiten Sicherheit zu bieten. Dadurch kann es zu einer Inkongruenz zwischen Gouvernanz und Reform des Sicherheitssektors (SSG/R) als nationale Aufgabe einerseits und COVID-19 als globale Krise andererseits kommen. Trotzdem gilt COVID-19 in jedem betroffenen Land als nationale Krise, was bedeutet, dass eine gute SSG auf nationaler Ebene für eine verantwortungsvolle Krisenbewältigung entscheidend bleibt. Als analytisches Konzept beschreibt SSG, wie der Sicherheitssektor eines Staates in der Realität funktioniert; gute SSG beschreibt den normativen Standard, wie Staaten in einer Demokratie für nationale und individuelle Sicherheit sorgen sollten – insbesondere in Krisenzeiten. Grundsätzlich besteht der Anspruch einer guten SSG darin, die Sicherheit von Individuen, Gemeinschaften und Staaten zu verbessern und zugleich die Achtung der Menschenrechte und der Rechtsstaatlichkeit zu gewährleisten.

Die beispiellosen Auswirkungen von COVID-19 auf Gesellschaften und ihre Institutionen haben weltweit zu einer Reihe ausserordentlicher staatlicher Reaktionen geführt. Die Pandemie hat alle Teile des Sicherheitssektors berührt. Sie wirkt sich auf Prinzipien und Werte aus, auf übergreifende Fragen sowie auf die umsetzenden und beaufsichtigenden Stellen im Sicherheitsbereich. Die für Aufsicht und Rechenschaft zuständigen Institutionen stehen unter extremem Druck, um sicherzustellen, dass die Sicherheitsakteure im Einklang mit Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechten handeln, und um schliesslich die Rückkehr zur Normalität anzuleiten. Es gilt, diese Analyse der Auswirkungen von COVID-19 und von Pandemien im Allgemeinen fortzusetzen und auf SSG/R zu erweitern. Dies bedeutet, nicht nur die unmittelbaren Notfallmassnahmen zu untersuchen, sondern auch die längerfristigen Folgen zu bewältigen und Schritte zu entwickeln, mit denen in der Zukunft die Schockwirkung einer ähnlichen Krise abgemildert und der Druck auf die Anbieter_innen des Sicherheitssektors verringert werden könnten. Ziel muss es letztendlich sein, die Sicherheit für Individuen, Gemeinschaften und Staaten zu verbessern.

 

DCAF – Geneva Centre for Security Sector Governance Dawn Lui Wissenschaftlicher Mitarbeiter Abteilung Politik und Forschung