Ein Hygienepromotor demonstriert im Rahmen der Aufklärungsworkshops in den verschiedenen Gemeinden die richtige Handhabung der Corona-Notfallversorgung. Mission 21
Mission 21 Dorina Waldmeyer Dorina.Waldmeyer@mission-21.org Program Officer Südsudan

Noch Anfang März 2020 war COVID19  eine Krankheit der westlichen Länder. Zu weit weg schien die Gefahr für die Menschen im Südsudan. Doch dann brachte ein europäischer Mitarbeiter einer internationalen Organisation den Virus ein paar Wochen später mit ins Land. Ein Schock, denn was man aus Europa und den USA in den Nachrichten hörte zu den übervollen Krankenhäusern und knappen Spitalbetten wäre in der Hauptstadt Juba gar nicht realisierbar. Ein Gesundheitssystem existiert kaum. Nur ein kleiner Bruchteil der Menschen hat eine Krankenversicherung, zu teuer sind bereits die gängigen und dringend benötigten Medikamente, beispielsweise gegen Malaria.

Das noch junge Land Südsudan steckte bereits vor der Pandemie in einer tiefen Krise. Seit der Unabhängigkeit des Landes im Jahr 2011, gab es fast ununterbrochen Krieg, Tod und Vertreibung. Die Regierung kümmert sich nicht um ihre Bevölkerung, stattdessen werden Machtkämpfe ausgeführt und das wenige Geld, was vorhanden ist, wird nicht etwa in soziale Systeme, sondern in Waffen und Prestigeprojekte der Regierung investiert. In den letzten Jahren war der Frieden wenig greifbar. Auch wenn es einige Abkommen gab, war und ist das Land tief gespalten. Der Südsudanesische Pfund (SSP) ist seit Jahren auf Talfahrt. Die Inflation ist so hoch wie noch nie. Während man sich im Jahr 2013 noch eine Wasserflasche für zwei SSP kaufen konnte, kostet diese mittlerweile über 100 SSP. Ein Viertel der Bevölkerung ist im Land in Flüchtlingslagern untergebracht, ein Viertel in Flüchtlingslagern im angrenzenden Ausland. Laut Schätzungen des World Food Programms werden auch in der ersten Hälfte 2021 60% der Bevölkerung (7,24 Millionen Menschen) von akuter Ernährungsunsicherheit betroffen sein.

Durch die COVID19-Pandemie und den Lockdown hat sich die Situation noch verschlimmert. Grundlegende und lebenswichtige Gesundheitsmassnahmen konnten nicht mehr durchgeführt und Medikamente nicht mehr ins Land gebracht werden. Was bedeutet das genau? Der Südsudan gehört zu den Ländern mit der schlechtesten Gesundheitsversorgung weltweit. Ein Indikator dafür ist die besonders hohe Kindersterblichkeit: 62 von 1‘000 Babys sterben im ersten Lebensjahr. Dies sind über 26‘000 Babys im Südsudan, die UNICEF zufolge am häufigsten an Durchfallerkrankungen, Malaria oder Lungenentzündungen sterben. Krankheiten, die man mit den richtigen Medikamenten leicht heilen könnte. Durch die Pandemie im Jahr 2020 wurden Gesundheitsdienste noch weniger als sonst in Anspruch genommen. Zu gross war die Angst, sich beim Arztbesuch mit COVID19 anzustecken. Zu viele Gerüchte und Unwahrheiten kursierten im Land, gleichzeitig gab es aber auch zu wenig Desinfektionsmittel und sonstige Schutzausrüstungen.

Das Jahr 2020 war aus mehreren Gründen kein friedliches Jahr für den Südsudan, wobei es vielversprechend anfing. Am 22. Februar gab es, wenn auch erst mit Ablauf der Deadline, eine vereinte Regierung der Hauptkonfliktparteien, 17 Monate nach dem der Schliessung des Friedensvertrags. Doch fast zeitgleich wurde der Südsudan von einer Heuschreckenplage heimgesucht, dann kam COVID19 und mit dem Virus der Lockdown. Im Juli kam es dann in grossen Teilen des Südsudans zu solchen heftigen Überflutungen, dass über 800‘000 Menschen davon betroffen waren. Seit Ende Dezember 2020 beobachtet man wieder mit grosser Sorge die brütenden Heuschrecken in den Nachbarländern des Südsudans.

Auch wenn die Pandemie im Land bis heute offiziell nur 63 Todesopfer gefordert hat, haben vor allem die behördlichen Gegenmassnahmen die Bevölkerung hart getroffen. Über 80% der Menschen arbeiten im informellen Sektor und haben nur das, was sie am Tag verdienen. Durch den wochenlangen Lockdown hiess das für viele Menschen keine Einnahmen und kein Essen. Die Regierung wollte und konnte keine Unterstützung anbieten. Mission 21 war in dieser Situation bestrebt, zivilgesellschaftliche Kräfte schnell darin zu unterstützen, mit COVID19 Hilfsmassnahmen reagieren zu können.

Ab Anfang Mai wurden neben der Aufklärung durch Fachkräfte zum Virus zum einen Hygieneartikel und Schutzausrüstung und zum anderen Grundnahrungsmittel wie Reis und Bohnen verteilt. Weiterführende Lehreinrichtungen konnten zum Teil erfolgreich auf E-Learning umstellen. Leider konnten Primar- und Sekundarschulen keinen alternativen Unterricht anbieten. Dies ist besonders bitter, denn gerade im Südsudan ist der Bedarf an Bildung sehr hoch. Auch die Schülerinnen der Hebammenschule, ein von Mission 21 unterstütztes Projekt, könnten zwar die Theorieausbildung via E-Learning fortführen, der Praxisunterricht in den Spitälern blieb ihnen aber verwehrt.

Viele Menschen im Südsudan haben in 2020 ihre sowieso fragilen Einkommen durch den Lockdown, die Überflutungen, die Heuschreckenplage und regionale gewaltsame Konflikte verloren. Viele waren gezwungen, für einen sechswöchigen Lockdown zu Hause zu bleiben. Dies war eine grosse psychische Belastung. Die Unterkünfte im Land sind sowieso recht klein für Familien mit durchschnittlich fünf Kindern. Aufgrund der prekären Situation, der fehlenden finanziellen Mittel, dem immer grösser werdenden Hunger und der nicht überwundenen Kriegstraumata kam es im vergangenen Jahr vermehrt zu häuslicher Gewalt, Verbrechen und Suiziden.

Trotz Friedensabkommen und Einheitsregierung ist der Weg noch lang. Jede Krise, egal wie schwer, kann einen fragilen Frieden wieder komplett zunichtemachen. Hier im Südsudan wird einmal mehr sichtbar, dass Frieden ohne die Deckung der Grundbedürfnisse kaum realisierbar ist.

Dies beinhaltet neben Gesundheitsversorgung und Ernährungssicherheit aber auch die Möglichkeit zu einer selbst bestimmten Entwicklung der Menschen. Mission 21 arbeitet seit mehr als 200 Jahren in engen partnerschaftlichen Beziehungen in ihren Projektländern. Integrierte Massnahmen der Entwicklungszusammenarbeit, Friedensförderung und Nothilfe im Sinne des Triple Nexus gingen dabei seit langem miteinander einher. Dies gibt die Flexibilität, auf Krisen schnell und zielgerichtet reagieren zu können, und ist nur durch die starke Verbundenheit, das Vertrauen und die Verankerung in den jeweiligen Ländern möglich.

Mission 21 Dorina Waldmeyer Dorina.Waldmeyer@mission-21.org Program Officer Südsudan