Jugendfreundliche Gesundheitsdienste, Tunesien, 2020. International Alert

COVID-19 hat ein grundlegendes Prinzip der Friedensförderung ausser Kraft gesetzt: die Notwendigkeit persönlicher Begegnungen.

International Alert hat untersucht, wie sich Kontaktbeschränkungen innerhalb einer Gruppe auf die Friedensförderungspraxis insgesamt auswirken, und gleichzeitig eine Analyse der Prinzipien angeregt, die der Praxis zugrunde liegen.

Die Ergebnisse zeigen, dass es im Online-Umfeld, wo heikle Themen und sensible Daten stärker gefährdet sind, schwieriger ist, Vertrauen und geschützte Räume zu schaffen. Die Verlagerung des Friedensdialogs und der Mediation auf die virtuelle Welt steht beispielhaft für die Unzulänglichkeiten eines Online-Engagements. In der Regel ist Friedensförderung ein Prozess, der auf langfristigem Vertrauensaufbau im persönlichen Umgang beruht. Wenn wir neben den digitalen Räumen keine echten Orte der Begegnung unterstützen, laufen wir Gefahr, bereits erzielte Fortschritte zu verlieren.

Der Zugang zu Digitalisierung stellt hierbei einen entscheidenden Aspekt dar. Befürworterinnen und Befürworter, wie etwa die jüngere Generation, argumentieren, dass sich online mehr Möglichkeiten bieten, sich zu engagieren und an der Gestaltung zukunftsfähiger, resilienter Gesellschaften massgeblich mitzuwirken.

Andere vertreten die Auffassung, dass sich bisherige Machtdynamiken einfach online fortsetzen, wobei die neue Form der Macht nun bei denjenigen mit einer Netzwerkverbindung liegt. Wer mehr Ressourcen hat und besser vernetzt ist, erhält eher Zugang zu Entscheidungsgremien. Hinzu kommt, dass digitale Konsultationen oft genderblind sind. Bislang ist noch kaum erforscht, wie sich die Online-Verschiebung auf die Geschlechter auswirkt. Ob ein Internetzugang vorhanden ist oder nicht, kann Konflikte, Ungleichheiten und Missstände verschärfen.

Die veränderte Praxis hat jedoch auch eine positive Wirkung: Endlich kann die Lokalisierungsagenda umgesetzt werden. Friedensfördernden, die in Konfliktregionen leben, war keine Atempause vergönnt. Der Einsatz für den Frieden dauerte an vielen Orten ununterbrochen an. Die grösste Veränderung bestand darin, dass Mitarbeitende aus dem «globalen Norden» nicht mehr mobil waren, was der Lokalisierung der Friedensförderung neuen Schwung verlieh. Damit verlagerte sich die Projektumsetzungsverantwortung auf Mitarbeitende vor Ort und neue lokale Partner wurden beauftragt, Dienstleistungen für Gemeinschaften zu erbringen. Anhand dieser Entwicklung lässt sich erforschen, welche Voraussetzungen erforderlich sind, um den Fokus auf lokales Fachwissen zu richten. Ein überaus komplexes Thema, bei dem in erster Linie zu erwägen ist, wie der Gefahrenübergang auf lokale Organisationen erfolgen kann und ob die Geber dann immer noch bereit sind, diese Arbeit zu unterstützen.

Der Sektor hat sehr schnell auf COVID-19 reagiert und engagiert sich weiterhin dafür, dass die Friedensförderung auch während der Pandemie zu den Prioritäten zählt. Diese Herausforderungen sind nur zu meisten, wenn der Sektor zusammenarbeitet, für eine gerechte Zukunft eintritt und sicherstellt, dass Anpassungen nicht versehentlich Konflikte und Instabilität schüren, sondern dass die Friedensförderung stets im Vordergrund steht.