terre des hommes schweiz Andrea Zellhuber andrea.zellhuber@terredeshommes.ch Themenverantwortliche Gewaltprävention

Gerade in der Friedensförderung, bei der wir in fragilen Kontexten arbeiten, können sich die Rahmenbedingungen die unsere Arbeit beeinflussen, sehr schnell verändern. Schnelle innovative Anpassung und agiles Reagieren auf Kontextveränderungen sind eine wichtige Kompetenz. Genauso wichtig ist es, dass Organisationen aus vergangenen Erfahrungen lernen und dieses Wissen institutionell verankern. Viele Organisationen stellen sich deshalb die Frage: Wie kann man kollektive Lernprozesse innerhalb und zwischen Organisationen fördern?

Eine wichtige Grundvoraussetzung innerhalb von Organisationen ist es, eine Kultur des offenen Austausches zu etablieren, in denen Mitarbeiter:innen sich trauen, Risiken einzugehen und Fehler anzusprechen. Weil Fehler mit unangenehmen Emotionen wie Scham, Angst oder Unsicherheit verbunden sind, ist der erste Impuls, sie zu vertuschen. Es braucht also ein besonderes Vertrauensverhältnis, um über Fehler sprechen zu können. Dafür bedarf es psychologischer Sicherheit. Es braucht Vertrauen in einem Team, so dass unsere Offenheit nicht bestraft oder gegen uns verwendet wird. Eine Kultur der psychologischen Sicherheit lässt sich vor allem durch zwei Werte beschreiben: Aufrichtigkeit und Wertschätzung. terre des hommes schweiz setzt sich deshalb in einem Teamentwicklungsprozess damit auseinander: Wie können wir intelligentes Scheitern fördern? Wie können wir neues ausprobieren, frühes Feedback bekommen und aussichtslose Projekte schnell wieder einstellen? Wie können wir verdeutlichen, dass es in Ordnung ist, Fehler zu machen, aber nicht in Ordnung, sie nicht zu erkennen und nicht aus ihnen zu lernen? Wie stellen wir durch starke Moderation sicher, dass wir in unseren Sitzungen einen safe space schaffen für offenen Austausch?

In einer durch die Leistungsgesellschaft geprägten Arbeitskultur sind die meisten von uns in ihrem professionellen Verhalten darauf konditioniert, nur Stärken zu zeigen und Schwächen zu kaschieren. In einer bewussten Auseinandersetzung mit unseren Kommunikationsmustern und Sitzungsformaten können wir üben, kompetitive Verhaltensmuster zu überwinden und eine Organisationskultur zu etablieren, die kollektives Lernen fördert und konstruktive Fehlerkultur beinhaltet.

Neben kollektiven Lernprozessen innerhalb von Organisationen besteht ein grosses Potential und gleichzeitig eine Herausforderung darin, das institutionelle Lernen zwischen unterschiedlichen Organisationen zu fördern. Die von KOFF initiierte Intervisionsgruppe ist ein hervorragendes Beispiel dafür, wie Austauschforen zwischen Organisationen einen Vertrauensraum schaffen kann, in dem auch offen über Herausforderungen, gescheiterte Vorhaben und Fehler gesprochen werden kann. Die Gruppe hat dafür gemeinsam klare Grundregeln für die Treffen entwickelt, die konstruktives Feedback und Vertraulichkeit beinhalten. Aufgrund des expliziten Settings der Meetings als «safe space» hat der Austausch in der Intervisionsgruppe eine andere Qualität im Hinblick auf gemeinsames Lernen im Vergleich zu anderen NGO-Austausch-Treffen, bei denen häufig showcasing und Profilierung der eigenen Organisation im Vordergrund steht. Durch das bewusste Definieren eines Vertrauensraumes entsteht ein grosser Mehrwert für gemeinsame Lernprozesse und Weiterentwicklung.

 

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