Dinka Malual- und Misseryia-Männer tanzen, um die erfolgreiche Durchführung der Friedenskonferenz zwischen den beiden Gemeinschaften zu feiern, Südsudan, 2010. Martina Santschi / swisspeace
Center for Security Studies ETH Zürich Joane Holliger joane_h@hotmail.com Senior Program Officer, Mediation Support Team

Nach Jahrzehnten des Bürgerkriegs gegen den Norden wurde der Südsudan am 9. Juli 2011 unabhängig und damit de facto der jüngste Staat der Welt. Zehn Jahre danach verzeichnet das Land einen traurigen Rekord: Seit der Unabhängigkeit hat es zwei weitere Bürgerkriege erlebt (2013–2015 und 2016–2018) und zwei neue Friedensabkommen unterzeichnet. Doch es besteht Hoffnung auf eine friedlichere Zukunft.

Das zuletzt vereinbarte Friedensabkommen, das Revitalized Agreement on the Resolution of the Conflict in South Sudan (R-ARCSS), wird gerade umgesetzt. Trotz vieler Herausforderungen macht es kontinuierlich kleine Fortschritte. Die langsame Umsetzung hat verschiedene Ursachen. Darunter tiefes Misstrauen, regionale Interventionen, die dem Prozess nicht unbedingt zuträglich waren, und internationaler Druck, der nicht immer angemessen gehandhabt wurde. Und auch ein Friedensprozess, der den Eliten gewissermassen aufgedrängt wurde, mangelnde Eigenverantwortung hinsichtlich des Abkommens und die in der Region herrschende Krise. Der Waffenstillstand zwischen den Hauptkontrahenten hält weitgehend. Allerdings kommt es im Zusammenhang mit Naturkatastrophen (Überschwemmungen, Dürren) immer wieder zu ausserordentlicher Gewalt zwischen einzelnen Gemeinschaften. Die Zahl der Menschen, die humanitäre Hilfe benötigen, wird auf 8,3 Millionen geschätzt (South Sudan Humanitarian Needs Overview 2021 (January 2021) – South Sudan | ReliefWeb – 14.06.2021 – nur auf Englisch).

In dem Konflikt greifen verschiedene Ebenen von Gemeinschaften ineinander, von der lokalen, über die regionale, subnationale und nationale bis hin zur internationalen Ebene. Innerhalb dieser Ebenen gibt es Querschnittsthemen, die sich gegenseitig auf vielfältige Weise beeinflussen. Dazu gehören die Festlegung von Binnen- und Landesgrenzen, die Verbreitung von Waffen und die Zunahme bewaffneter Gruppen, wirtschaftliche Not, der Kampf um natürliche Ressourcen, ethnische Probleme sowie der Mangel an funktionierenden Institutionen und Rechenschaftsmechanismen.

In diesem Umfeld sind drei Szenarien denkbar. Das erste ist eine weiterhin selektive und verzögerte Anwendung des R-ARCSS, bei der nur ein paar der Bestimmungen des Abkommens umgesetzt werden, und überdies langsamer als geplant. Zweitens könnten der Zerfall des Patronagesystems und der Zusammenbruch der Wirtschaft dazu führen, dass sich die lokal begrenzten Konflikte auf die nationale Ebene ausweiten. Das dritte und optimistischste Szenario wären erfolgreiche Reformen und Veränderungen der politischen Dynamiken. Eine wachsende Zahl gebildeter, international vernetzter, junger Menschen, eine relativ kleine, aber aktive Zivilgesellschaft, Frauenorganisationen und Geschäftsleute drängen im Südsudan unermüdlich auf Reformen. Einflussreiche Mitglieder der «älteren» Generation zeigen sich zunehmend kritisch darüber, wie öffentliche Institutionen bisher geführt wurden, und machen sich allmählich bewusst, welches Erbe sie hinterlassen werden. Wenn die Weichen richtig gestellt werden, kann man sich gut vorstellen, dass die im Friedensabkommen vorgesehenen grundlegenden Reformen Realität werden und diese schöne Nation Schritt für Schritt eine friedliche Entwicklung vollzieht.

 

Center for Security Studies ETH Zürich Joane Holliger joane_h@hotmail.com Senior Program Officer, Mediation Support Team