Nyahururu Friedenskomitee in Kenia, Februar 2020. Fastenopfer
Caritas Nyahururu James Mugambi Projektverantwortlicher Fastenopfer Stellamaris Mulaeh Friedens- und Konfliktspezialist Fastenopfer Leon Jander Programmverantwortlicher

In den ariden und semi-ariden Regionen Kenias hat sich Viehdiebstahl zu einem lukrativen Geschäft entwickelt. Inmitten von ethnischen Auseinandersetzungen, Banditentum, Übergriffen auf privates Grundeigentum und politischen Streitigkeiten entlang ethnischer Trennlinien ist dieses Verbrechen symptomatisch für den steigenden Druck auf natürliche Ressourcen. Auch im County Baringo hat die Zahl der Gewalttaten in den vergangenen Monaten zugenommen. In der Region herrscht das ganze Jahr über ein heisses, trockenes Klima mit schwankenden Niederschlägen. Die Verfügbarkeit von Wasser und der Zugang dazu sind ein ständiges Problem, insbesondere während der Trockenzeit in tiefer gelegenen Gegenden.

Die Katholische Diözese Nyahururu in Mochongoi ist eine der wenigen Organisationen, die in dieser Region tätig sind. Sie führte Analysen der genannten Konflikte durch, wobei verschiedene gesellschaftliche Gruppierungen einbezogen wurden: traditionelle Dorfälteste, Frauengruppen, der Sicherheitssektor, County-Verwaltungen und religiöse Oberhäupter. Sie bestätigten, was bereits über die Ursachen der Konflikte bekannt war. Ausserdem stellte sich heraus, dass über die nördliche Landesgrenze illegal Waffen ins Land geschmuggelt werden. Durch den Gebrauch von Waffen sind die seit Langem praktizierten Überfalle auf Viehherden inzwischen mehr als nur ein Mittel zur Umverteilung von Besitz unter Viehhaltern: Sie sind eine Art gewerbliche Tätigkeit geworden, was durch politische Einflussnahme und Korruption noch verschlimmert wird. Da es an entwickelter Infrastruktur mangelt und die geografischen Bedingungen um West Pokot schwierig sind, gelingt es der Polizei nur selten, die bewaffneten Diebe zu verfolgen und die gestohlenen Tiere zurückzubringen. Die Sicherheitskräfte können mit der Bevölkerung nicht richtig kommunizieren, sind unzureichend ausgerüstet und werden so oft selbst zur Zielscheibe.

Die Konflikte treffen vor allem die lokalen Gemeinschaften hart. Die Zahl der Binnenvertriebenen, die von den Niederungen Mochongois in die Berge ziehen, hat zugenommen, wodurch in der Projektregion der Bedarf an Grunddiensten gestiegen ist. Jugendliche und junge Erwachsene haben daher kaum Zugang zu Bildung und bleiben chancenlos. So geraten viele in eine Abwärtsspirale aus Alkohol, Untätigkeit und Gewaltbereitschaft. In den letzten fünf Jahren wurden mehr als zehn Primarschulen mutwillig beschädigt und Gemeinschaftsprojekte bedroht. Da viele Männer mit ihrem Leben bezahlen müssen, kommt es zunehmend auch zu Angriffen auf Frauen und Kinder, die die Männer beim Viehhüten ersetzen. Immer mehr Witwen übernehmen die Rolle des Haushaltsvorstands, und zahlreiche Frauen lassen sich in informellen Siedlungen nieder, da sie nicht genug Land für den Gemüseanbau und die Ernährung ihrer Familien besitzen.

Die Diözese Nyahururu versucht, diesen Teufelskreis der Gewalt zu durchbrechen. Durch Vermittlung von Techniken der Konfliktanalyse und -bewältigung stärkt das Caritas-Team lokale Friedenskomitees. In den Komitees kommen Viehhalter und Bauern zusammen, die von den Konflikten in dieser Region betroffen sind und zu ihrer Lösung beitragen können. Die Mitglieder lernen, schwere Straftaten von Fällen, in denen sie selbst vermitteln können, zu unterscheiden. Sie arbeiten eng mit anderen wichtigen Akteurinnen und Akteuren zusammen, etwa mit der Polizei oder mit Stammesältesten, deren Rolle bei traditionellen Konfliktlösungsmechanismen entscheidend ist. Viehdiebstahl zählt zu den Konflikten, in denen die Friedenskomitees zunächst allein einen Lösungsversuch unternehmen. Da das Vieh oft über grosse Entfernungen transportiert wird, bitten die Komiteemitglieder Friedenskomitees in anderen Gebieten um Hilfe beim Aufspüren. Im Idealfall einigen sich die Verantwortlichen der betroffenen Gemeinden und die Tiere werden zurückgeführt.  Dies ist den zahlreichen vertrauensbildenden Massnahmen der Komitees zu verdanken. 2020 wurden den Friedenskomitees acht Fälle mit insgesamt 600 gestohlenen Rindern gemeldet. Alle konnten wieder zurückgeholt werden.

Aufgrund der Corona-Pandemie sind Zusammenkünfte der Friedenskomitees nur eingeschränkt möglich. Unterdessen steigt durch die Auswirkungen des Klimawandels das Risiko von Konflikten um Ressourcen. Angesichts der näher rückende Präsidentschafts- und Parlamentswahlen ist es umso wahrscheinlicher, dass Politikerinnen und Politiker ethnische Rivalitäten für ihre Zwecke ausnutzen. Vor diesem Hintergrund wird deutlich, wie wichtig Friedenskomitees mit einer sehr lokalen Verankerung sind, die eng mit einem grösseren Netzwerk aus Friedensakteur:innen zusammenarbeiten.

Caritas Nyahururu James Mugambi Projektverantwortlicher Fastenopfer Stellamaris Mulaeh Friedens- und Konfliktspezialist Fastenopfer Leon Jander Programmverantwortlicher