Durch Ausbildungen in der ökologischen Landwirtschaft oder in verschiedenen Berufen ermöglichen wir Jugendlichen eine Perspektive auf dem Land. Jonas Wagner-Mörsdorf / terre des hommes schweiz

Palma ist eine kleine Stadt mit rund 75´000 Einwohner:innen im Norden Mosambiks. Es sind nur rund 25 Kilometer zur tansanischen Grenze und der Fischfang vor Ort dient den Menschen als Lebensunterhalt. Ein kleines Städtchen also, über das man in internationalen Medien bislang wohl noch nichts gelesen hat. Am Nachmittag des 24. März 2021 war diese vermeintliche Beschaulichkeit allerdings vorüber und Palma wurde der traurige Höhepunkt dessen, was im nördlichen Mosambik seit rund 3 Jahren vor sich geht. In den Nachmittagsstunden fiel eine bewaffnete Gruppe mit Verbindungen zum Islamischen Staat über das Städtchen her und erschoss und enthauptete in den folgenden Tagen mindestens 90 Menschen. Die Berichte, Fotos und Videos aus Palma sind erschreckend. «Wir sahen einen 14-jährigen Jungen, der auf seine erste Mission ging. Wir sahen ihn, sehr glücklich, wie er erzählte, wie er Menschen getötet hatte,» berichtet eine Frau. Sie ist eine von 23 Frauen, die von den rebellischen Gruppen – vor Ort auch «Machababos» genannt – gefangen gehalten wurden und fliehen konnten. Ihre Aussagen geben einen tiefen Einblick in die Gruppe der Angreifer:innen, welche die Provinz Cabo Delgado seit drei Jahren in Angst und Schrecken versetzt.

Cabo Delgado ist die nördlichste mosambikanische Provinz und rund 1´500 km von der Hauptstadt Maputo ganz im Süden entfernt. Jahrelang war der äusserste Norden für die mosambikanische Regierung kaum von Interesse. Die Region hat eine hohe Jugendarbeitslosigkeit, die Analphabet:innenrate liegt bei 67 % und mangelnde Perspektiven machen es islamistischen Anwerber:innen leicht, junge Menschen zu rekrutieren. Die öffentliche Unzufriedenheit mit der Regierung in Maputo wird dadurch befeuert, dass vor der Küste der Region riesige Gasvorkommen entdeckt wurden – die grössten Gasvorkommen Afrikas – vom vermeintlichen Boom aber hauptsächlich ausländische Firmen wie der französische Total Konzern und die Regierungspartei Frelimo profitieren. Arbeitsmöglichkeiten für Jugendliche vor Ort gibt es dadurch nicht wirklich. Die Reaktion der Regierung auf die jahrelangen Attacken in Cabo Delgado sind zudem relativ eindeutig – den Gaskonzernen wird Schutz versprochen und versucht mit Söldnergruppen, wie der berühmt-berüchtigten russischen Wagner Group oder zuletzt der südafrikanischen Dyck Advisory Group, den Konflikt unter Kontrolle zu bringen. Die Bevölkerung wird bei den Überlegungen eher vergessen. Die Regierungspartei Frelimo sieht mit dem Bürgerkrieg in Cabo Delgado ihr «Geschäftsmodell» im Zusammenhang mit den Erdgasgeschäften gefährdet. Dies erklärt auch, weshalb die Regierung die Angreifer:innen als ausländische Mitglieder des sogenannten IS betitelt, mit denen man nicht verhandeln könnte. Unabhängige Journalist:innen werden ausgewiesen, wie vor kurzem der Brite Tom Bowker, der als einer der wenigen über die Komplexität der Situation berichtete und die Versäumnisse der Regierung offen legte. Auch für nationale Journalist:innen wurde es in den letzten Jahren schwierig über die Situation in Cabo Delgado zu berichten. An Hilfsorganisationen werden keine Visa mehr ausgestellt, auch die EU-Beobachtermission wurde von Seiten der Regierung verzögert. Hilfe aus dem Ausland möchte man haben, aber nur in finanzieller Form und nicht durch die Anwesenheit von unabhängigen Beobachter:innen oder ausländischen Truppen, die auf die Versäumnisse der Regierung hinweisen könnten. Die Menschen in Mosambik sind zudem verwundert darüber, wie spät sich der Präsident Filipe Nyusi, der selbst in Cabo Delgado geboren wurde, zu den Anschlägen äussert.

Die jüngsten brutalen Angriffe in Palma haben gezeigt, dass der eingeschlagene Weg nicht die Lösung sein kann. Seit Oktober 2017, als die Attacken begannen, bis Ende Mai 2021, gab es fast 900 Angriffe, denen 2´852 Menschen zum Opfer fielen. Über 714´000 Personen sind innerhalb des Landes vertrieben (IDPs). Seit letztem Jahr und auch beim Angriff in Palma proklamierte der sogenannte IS den Anschlag für sich, die als Beweis verwendeten Fotos und Videos waren aber nachweislich älter. Aus den oben genannten Interviews mit den geflohenen Frauen wird deutlich, dass es sich – anders als die Regierung behauptet – Grossteils nicht um Ausländer:innen handelt, sondern um junge Männer aus der Region. Diese seien weniger vom Islamismus angetrieben als von der Frustration gegenüber der Regierung und von der Aussicht auf finanziellen Reichtum. Man geht davon aus, dass nur die Anführenden der Terrormiliz zum Grossteil männliche, gut gebildete Ausländer seien, hauptsächlich aus Tansania. Sie gehören der ursprünglich somalischen al Shabaab Miliz an. Die Gruppierung macht sich den Ärger der abgehängten Jugend in Cabo Delgado zu Nutze und schürt den Missmut auf die «ungläubige Regierung in Maputo» und die «plündernden» ausländischen Gasfirmen.

Die fehlenden Perspektiven und das Gefühl vergessen worden zu sein bei den Jugendlichen in Cabo Delgado ist einer der wichtigsten Ansatzpunkte, um den Konflikt dauerhaft zu lösen. Für Paula Macave, die nationale Koordinatorin von terre des hommes schweiz in Mosambik, ist die Jugendarbeitslosigkeit das grösste Problem. Deshalb werden in den Projekten vor Ort Jugendliche dabei unterstützt, sich mit ökologischer Landwirtschaft oder einer Ausbildung eine wirtschaftliche Perspektive aufzubauen, zudem fördern wir das Wissen rund um die sexuelle Gesundheit, da Frühverheiratungen und Teenage-Schwangerschaften gerade im ländlichen Mosambik ein grosses Problem sind. Auch anderweitig scheint Bewegung in den Konflikt zu kommen: Portugal wird Truppen senden, auch die USA und Frankreich haben Unterstützung zugesagt. Der Druck durch die Afrikanische Union auf die mosambikanische Regierung, endlich externe Unterstützung zuzulassen, könnte helfen, sagt Paula Macave. Auch die katholische Kirche spricht die ursächlichen Probleme für den Konflikt offen an und kritisiert auch die Regierung: «Die Kirche möchte, dass die Jugendlichen ein anderes Leben führen als das, das sie jetzt führen. Deshalb ermutigen wir die Menschen, insbesondere die Jugendlichen, ihre Hoffnungen und Träume zu kultivieren und daran zu arbeiten, sie zu verwirklichen».

Und so ist unser Fazit relativ eindeutig: eine langfristige friedliche Lösung wird es nur geben, wenn externe Hilfe zugelassen wird, unabhängige Journalist:innen wieder über die Situation in Cabo Delgado berichten können und die Regierung die Bedürfnisse der Bevölkerung ernst nimmt. Denn der Frieden wird nur möglich sein, wenn die ärmeren Bevölkerungsschichten vom Export der riesigen Ressourcenvorkommen auch ein Stück abbekommen und Jugendliche im Land eine echte Perspektive erhalten. Daran arbeiten wir mit unseren Partner:innen jeden Tag.