Maaji II Flüchtlingssiedlung in Adjumani, Norduganda, April 2021. Alice Horner.
Eirene Suisse und Refugee Law Project Alice Horner a.alicehorner@gmail.com Datenanalystin

Nach zwanzig Jahren der Konflikte zwischen der Lord’s Resistance Army (LRA) und der ugandischen Regierung hat die Rebellion in dem Land ein Ende. Doch in der Bevölkerung sind die Wunden nicht verheilt und die Folgen der verübten Verbrechen noch immer spürbar, obwohl in Uganda seit Mitte der 2000er Jahre eine gewisse Stabilität herrscht. Wegen dieser Stabilität sind 1,5 Millionen Menschen nach Uganda geflüchtet (UNHCR, April 2021), das somit das grösste Aufnahmeland Ostafrikas ist. Die Flüchtlinge stammen hauptsächlich aus dem Südsudan und der Demokratischen Republik Kongo. Sie fliehen vor Konflikten und Menschenrechtsverletzungen, wie Massaker, Folter und Verschleppung.

Die Organisation Refugee Law Project (RLP) wurde 1999 gegründet, um Flüchtlingen, deren Rechte missachtet wurden, unentgeltlich juristischen Beistand anzubieten. Wie sich herausstellte, lagen den Rechtsfragen aber viel tiefergehende Probleme zugrunde, die vor allem durch psychische, physische und sexuelle Gewalt in den Konfliktgebieten oder auf der Flucht verursacht worden waren. Deshalb weitete RLP sein Hilfsangebot aus. Das Projekt unterstützt aktuell Asylsuchende, Flüchtlinge, Verschleppte, Binnenvertriebene und Aufnahmegemeinschaften.

Man geht gemeinhin davon aus, dass sexuelle Gewalt in Konfliktsituationen an der Tagesordnung ist, doch fehlen dazu bis heute robuste Daten. In einem Kontext, in dem sexuelle Gewalt ignoriert und tabuisiert wird, scheuen sich die Betroffenen zumeist, Hilfe zu suchen, und erhalten daher keine angemessene Unterstützung.

RLP hat eine systematische Herangehensweise entwickelt, mit sich besser erfassen lässt, was das Opfer durchgemacht hat und was genau benötigt wird, damit eine umfassende Unterstützung möglich ist. Mithilfe eines Tablets und eines interaktiven Fragebogens (dem sogenannten Screening Tool) können die Ratsuchenden den Mitarbeitenden von RLP das Erlebte und die im Krieg erlittenen Schäden mitteilen. Von den 6’500 Personen, die das Screening in den vergangenen drei Jahren nutzten, haben achtzig Prozent das Gespräch positiv bewertet, fünfzehn Prozent neutral und fünf Prozent negativ. Die meisten Teilnehmenden gaben an, dass es das erste Mal war, dass ihnen eine Hilfsorganisation so viel Zeit und Aufmerksamkeit widmete.

Nach dem Screening verfügen die Mitarbeitenden von RLP über genügend Informationen, um die passenden Massnahmen vorzuschlagen. Dies kann juristische oder psychologische Beratung durch die Organisation sein, oder die Ratsuchenden werden an ein Spital verwiesen, mit dem RLP zusammenarbeitet. Der zehnminütige Dokumentarfilm «21 years running» (siehe nebenstehenden Link) ist aus den Screenings von RLP hervorgegangen. Eine Frau spricht über die sexuelle Gewalt, die ihr während des Konflikts im Südsudan zugefügt wurde und die dramatische Folgen für ihre Gesundheit und ihr Leben hatte.

Das systematische Screening von RLP trägt wesentlich dazu bei, die Dunkelziffer von sexueller Gewalt in Konfliktsituationen zu verringern. Einerseits können anhand des Screenings die Bedürfnisse der Gewaltopfer ermittelt und ihnen gezielte Hilfeleistungen angeboten werden. Andererseits dienen die erfassten Daten und die daraus erstellten Statistiken als fundierte Grundlage für eine auf Fakten beruhende Argumentation. Auf diese Weise trägt die Aufarbeitung und Dokumentation von Schäden, die Menschen im Zusammenhang mit Kriegen erlitten haben, zur Friedensförderung bei.

 

 

Eirene Suisse und Refugee Law Project Alice Horner a.alicehorner@gmail.com Datenanalystin