N° 174
Februar 2022
Chris Montgomery. Unsplash
swisspeace Myriam Ahmed Myriam.Ahmed@swisspeace.ch Program Officer (Mediation)

Auch wenn im digitalen Dialog keine Stühle geworfen werden können, werden Diskussionen schnell heftig und die Möglichkeiten zur Deeskalation von Spannungen bleiben begrenzt. In diesem Artikel gehe ich der Frage nach, wie sich Emotionen in Online Dialogen zu Konfliktkontexten auswirken.

Der Einsatz digitaler Werkzeuge für die Friedensmediation und den Dialog, der während COVID-19 einen deutlichen Aufschwung erlebte, führte zu einer neuen Dynamik in den zwischenmenschlichen Beziehungen und wirkte sich auf die Gestaltung und Umsetzung von Dialogprozessen aus. Ein Aspekt, der durch diesen Wandel hervorgerufen wurde, ist die emotionale Dimension für die Beteiligten in einem solchen Umfeld, insbesondere angesichts der unpersönlichen Natur digitaler Gespräche.

Obwohl digitale Tools dazu beigetragen haben eine breitere Inklusion in einigen Dialogprozessen zu fördern, waren Teilnehmende gezwungen durch und zu einem Bildschirm zu sprechen. Aufgrund der begrenzten Internetbandbreite in Kontexten mit schlechter Infrastruktur, konnte man die Gesichter auf den Bildschirmen oftmals nicht erkennen. Das Fehlen von sichtbarer Körpersprache schränkt nicht nur die Vertrauensbildung ein, sondern auch den Aufbau eines “Gefühls” für die Teilnehmenden, die auf der anderen Seite des digitalen Tisches sitzen, was zu einer minimierten Kommunikation von Feedback über den Verlauf einer Diskussion in Echtzeit führt und dies wiederum kann Emotionen wie Frustration, Unzufriedenheit oder Angst auslösen.  Hinzu kommt, dass es praktisch unmöglich ist den Raum zu lesen und ein Gespür für die darin vorhandenen Empfindungen zu entwickeln. Ohne diese Möglichkeiten und ohne die Option von Nebengesprächen bleibt der Aufbau von Beziehungen schwierig. Ausserdem sind Online-Dialoge in der Regel ziemlich choreografiert, was die Chancen für spontane Konfrontationen verringert, in denen gesunde Emotionen zum Ausdruck kommen und die es ermöglichen, einen notwendigen Wendepunkt zu erreichen, um von der Diskussion um Positionen zur Fokussierung auf Interessen zu gelangen. Interessanterweise wurde die (öffentliche) Chatfunktion häufig für parallele Gespräche genutzt, in denen Emotionen wie Wertschätzung, Zustimmung zu/Ablehnung von Aussagen, oder Empathie gegenüber gemeinsamen Erfahrungen zum Ausdruck kamen und in denen die Teilnehmenden Wege fanden, scherzhafte Kommentare abzugeben, die manchmal dazu beitrugen, aufkommende Spannungen zu entschärfen.

Neue Dynamiken in virtuellen Umgebungen ergaben sich auch durch die nicht nur zahlenmässige sondern auch substanzielle Einbeziehung von traditionell eher marginalisierten Gruppen: z.B. Jugendliche, die in der Regel besser mit digitalen Medien umgehen können als ihre älteren Kolleg:innen oder Frauen, die ihre Zufriedenheit darüber zum Ausdruck brachten, dass sie aktiv an Sitzungen mit hochrangigen Beamt:innen teilnehmen und ihre Beiträge einbringen konnten, da sie bei Online-Sitzungen keine Zeit für Reisen aufgewendet werden muss. Gleichzeitig berichteten die Teilnehmenden über Ermüdungserscheinungen bei stundenlangen “Zoom”-Anrufen, die durch Verbindungsprobleme noch verstärkt wurden, so dass sie sich vom Prozess abgekoppelt fühlten. Dies wirkt sich unmittelbar darauf aus, wie offen sich die Teilnehmenden auf Diskussionen einlassen, anderen zuhören und eine gemeinsame Basis finden können.

Die zunehmende Digitalisierung hat Auswirkungen auf die Moderation, den Stil des Engagements und die Dynamik der Dialogräume, einschliesslich der emotionalen Dynamik unter den Teilnehmenden. Die eingeschränkte persönliche Interaktion beeinträchtigt die emotionale Intelligenz der Teilnehmenden, verringert das emotionale Feedback und die Möglichkeiten zum Aufbau persönlicher Beziehungen zwischen den Gesprächspartner:innen. Vor diesem Hintergrund sollte in der Friedensförderung das Potenzial digitaler Tools genutzt werden, um positive Emotionen im Dialogprozess zu fördern, indem sie die Teilnehmenden beispielsweise neuen Gesprächspartner:innen und damit auch neuen Erfahrungen und Perspektiven aussetzen.

swisspeace Myriam Ahmed Myriam.Ahmed@swisspeace.ch Program Officer (Mediation)