N° 174
Februar 2022
Flüchtlingslager Palorinya im Norden Ugandas, Juni 2019. Swiss Academy for Development
Interview of Andrea Wynistorf wynistorf@sa4d.org Projektmanagerin, Swiss Academy for Development Interview by Sanjally Jobarteh Communication officer, swisspeace

Vor zehn Jahren – nach der Unabhängigkeit des Südsudans vom Sudan – begann die Swiss Academy for Development (SA4D), südsudanesischen Frauen in Lagern für Binnenvertriebene bei der Überwindung ihrer kriegsbedingten Traumata zu helfen. Das Projekt «Women on the move» wurde in Zusammenarbeit mit einer südsudanesischen NGO, die heute unter dem Namen Community Psychosocial Support Organisation (CPSO) tätig ist, durchgeführt. Seitdem haben die Eskalation des Bürgerkriegs sowie Dürre und Hunger erneut über zwei Millionen Südsudanes:innen zur Flucht in Nachbarländer wie Uganda gezwungen. Dort befinden sich derzeit 40 Prozent der Flüchtlinge (siehe dazu unrefugees.org und statista.com). Da sowohl die Projektteilnehmenden als auch die CPSO-Mitarbeitenden ins nördliche Uganda fliehen mussten, wurde das Projekt «Women on the Move» mit einem neuen Fokus auf Frauen und Kinder dorthin verlagert.

Projektleiterin Andrea Wynistorf erläuterte in einem Interview, wie sich SA4D und CPSO für die psychosoziale Unterstützung südsudanesischer Flüchtlinge in Norduganda engagieren.

Die im Rahmen dieses Projekts unterstützten Flüchtlinge leiden an den negativen psychosozialen Folgen traumatischer Konflikt- und Kriegserfahrungen, die verschiedene Lebensbereiche betreffen können. Diese Auswirkungen können sich als posttraumatische Belastungsstörungen (PTBS) und als körperliche Beschwerden manifestieren. Häufige Symptome sind wiederkehrende Erinnerungen an belastende Erlebnisse, Konzentrationsschwierigkeiten, Angstzustände, Reizbarkeit und Schreckhaftigkeit sowie Rachegedanken oder Schuldgefühle. Als körperliche Beschwerden wurden unter anderem Albträume, Schmerzen in der Brust, Gewichtsverlust, Kopfschmerzen oder chronische Müdigkeit genannt. Traumabedingte negative Gefühle können Gefühlsausbrüche oder aggressives Verhalten innerhalb der Gemeinschaft oder auch ein geringes Selbstwertgefühl, Isolation und sogar Selbstmordgedanken zur Folge haben.

Sind die Flüchtlinge einmal im Lager angekommen, verschlimmern sich die negativen Auswirkungen eines konfliktbedingten Traumas möglicherweise aufgrund der schlechten Lebensbedingungen, mangelnden Finanzmittel und allgemeinen Hoffnungs- und Perspektivlosigkeit.

Mit einem Ansatz basierend auf Sport und Spiel wollen die SA4D und ihre Partnerorganisation CPSO südsudanesischen Flüchtlingen bei der Verbesserung ihres psychosozialen Wohlbefindens helfen. Ergänzend werden eine professionelle Unterstützung der psychischen Gesundheit und Beratung angeboten. In speziell konzipierten Sportaktivitäten und Spielen mit dem Fokus Lebenskompetenzen entwickeln die Teilnehmenden wirksame Strategien für die Traumabewältigung, bauen Resilienz auf und stärken zwischenmenschliche Fähigkeiten.

Die Aktivitäten fordern die Teilnehmenden ganzheitlich, also geistig und körperlich, und werden anschliessend in einem dreiteiligen Gespräch unter der Leitung ausgebildeter Psychosozial-Coaches nachbereitet. Teil des Gesprächs sind eine Gruppenreflexion über die Aktivität, um sie mit persönlichen Erfahrungen im echten Leben zu verbinden, sowie Methoden für die Umsetzung der Erkenntnisse aus dem Spiel in die Praxis. Die Teilnehmenden lernen auf spielerische Art, über ihre Erlebnisse und Gefühle zu sprechen, und gewinnen an Vertrauen und Selbstbewusstsein zurück. Da diese Aktivitäten auch der Aufnahmegemeinschaft offenstehen, tragen sie zudem zum sozialen Zusammenhalt bei und können mögliche Spannungen abbauen.

Laut Andrea Wynistorf hat sich dieser Ansatz für den Umgang mit Traumata als sehr wirksam erwiesen. Die SA4D wendet dieselbe Methode auch für die Entwicklung von Lebenskompetenzen zur Gewaltprävention und zur Konflikttransformation an. Wynisdorf ergänzt, dass viele Teilnehmende zwar keine Schulbildung hätten, aber dass die Methode trotzdem äusserst geeignet sei: Stress, Angst und Wut werden abgebaut und die spielerischen Gruppenaktivitäten ermöglichen informelles Lernen. Damit entsteht für die Teilnehmenden ein Gefühl der Normalität und sie erlangen wichtige Lebenskompetenzen.

Ein weiterer Erfolgsfaktor ist die Tatsache, dass alle Aktivitäten in einer sicheren Umgebung stattfinden – in physischer, emotioneller und sozialer Hinsicht. Die Psychosozial-Expert:innen der ausführenden Partnerorganisation sind selbst Flüchtlinge. Das führt zu einen hohen Vertrauensniveau und gegenseitigem Verständnis. Gemäss mehreren Berater:innen der CPSO hilft ihnen die Arbeit im Bereich der psychosozialen Unterstützung auch in ihrem eigenen Bewältigungsprozess.

Interview of Andrea Wynistorf wynistorf@sa4d.org Projektmanagerin, Swiss Academy for Development Interview by Sanjally Jobarteh Communication officer, swisspeace