N° 158
Dezember 2018
Leben Moro. Foto von Leben Moro
swisspeace Amélie Lustenberger amelie.lustenberger@swisspeace.ch Communications

Leben Moro ist in einem Land aufgewachsen, das von Bürgerkriegen geprägt ist. Er hat den Konflikt von seinen grausamsten Seiten miterlebt. Seine Familie und Freunde helfen ihm, mit den traumatischen Erlebnissen umzugehen und das Friedensabkommen von diesem Sommer stimmt ihn hoffnungsvoll. Trotzdem bleibt er auch skeptisch.   

Seit 2011 ist der Südsudan unabhängig. Er ist der jüngste Staat Afrikas, und viele sagen, ein hoffnungsloser Fall. Der Trennung des schwarz-afrikanischen christlichen Südens vom arabisch-muslimischen Norden waren schwere Bürgerkriege vorausgegangen. Nach der Unabhängigkeit versank das Land bereits 2013 erneut in einer blutigen Auseinandersetzung. Es ist schwierig, den Überblick zu behalten, wer gerade wen bekriegt, denn das Land zählt über 60 Stämme und Völker. Ganz grob lässt sich sagen, dass die Anhänger des aktuellen Präsidenten Salva Kiir gegen die Verbündeten seines früheren Stellvertreters Riek Macher kämpfen.

Dr. Prof. Leben Moro ist im heutigen Südsudan an der Grenze zu Uganda aufgewachsen. Aktuell arbeitet er am Institut für Friedens-, Entwicklungs- und Sicherheitsstudien der Universität Juba und widmet sich dort voll und ganz der Friedensförderung. «Konflikte sind an der Quelle fast aller Probleme dieses Landes», so Leben Moro. «Soforthilfe in Form von Essen, Trinken und z.B. Medikamenten sind selbstverständlich unglaublich wichtig, doch, wenn man nachhaltig etwas verändern will, muss man in die Friedensbildung investieren», ergänzt er.

Sein Interesse für die Friedensförderung begann während seiner Studienzeit in den späten 80ern und Anfang der 90er Jahre in Ägypten. Dort kam er immer wieder mit südsudanesischen Flüchtlingen in Kontakt. Zuerst befasste er sich grösstenteils mit humanitären Fragen, doch mit der Zeit wollte er mehr über die Ursache des Problems erfahren – der Krieg im Südsudan. «Die Menschen fliehen vor der andauernden Gewalt. Wollen wir, dass die Flüchtlinge nicht mehr unter den prekären Bedingungen der Flüchtlingslager zu leiden haben, dann müssen wir Frieden im Südsudan schaffen», ist Leben Moro überzeugt.

Krieg ist für jemanden wie ihn, der in einem von Gewalt geprägten Ort aufgewachsen ist, nicht etwas Abstraktes, das über die Zahlen der Todesopfer und Verletzten definiert werden kann. Obwohl er sich in seinem Beruf auch auf ganz theoretischer Ebene mit dem Thema befassen muss, ist es für ihn auch immer etwas Emotionales, das ihn persönlich bewegt. «Es ist keine Gewalt, die irgendwo weit weg irgendjemanden betrifft, sondern es geht um Menschen, die deine Freunde oder deine Familie sind», sagt Leben Moro. In seiner Arbeit wird er mit vielen schrecklichen Geschichten konfrontiert und er hat auch selbst erlebt wie Personen erschossen oder vergewaltigt wurden.

«Solche Erlebnisse und Geschichten zu verarbeiten ist niemals einfach», betont Leben Moro. In der westlichen Welt gibt es Angebote, um mit solchen Erfahrungen umzugehen: Professionelle Psychologen, Pharmazeutika aber auch Yoga, Meditation usw. helfen den Menschen, stressvolle Situationen zu bewältigen. So etwas fehlt im Südsudan komplett. Trotzdem findet Leben Moro an schwierigen Tagen Halt und zwar dank den Menschen um ihn herum: Mit seiner Familie und Freunden zu reden, zu lachen und sich auszutauschen, dies hilft ihm durch harte Zeiten. «Ich brauche Menschen, die so denken wie ich, denen ich vertraue und die mich verstehen. Alleine in einem Zimmer sitzen, an eine Wand starren und meditieren, würde bei mir nicht funktionieren. Ich glaube, da würde ich erst recht durchdrehen», meint Leben Moro schmunzelnd.

Aktuell gibt es für das Land auch einen Hoffnungsschimmer, denn ein Friedensprozess ist am Laufen. Im Sommer dieses Jahres unterzeichneten die Parteien ein Friedensabkommen. Die Gewalt hat seither stark abgenommen und in der Hauptstadt Juba gibt es sogar so etwas wie einen winzigen Wirtschaftsaufschwung. Leben Moro freut sich darüber und möchte positiv bleiben. Gleichzeitig beobachtet er den Prozess mit gemischten Gefühlen, denn es gab schon mehrere Friedensabkommen, die anschliessend an der Umsetzung gescheitert sind. Richtig glauben, dass tatsächlich Frieden eintreten könnte, würde er erst, wenn die Rebellen in das Land zurückkehren und gemeinsam mit den aktuellen Machtinhabern eine Regierung bilden. «Die Menschen sind müde vom Krieg. Dies stimmt mich hoffnungsvoll. Sie sind müde vom Kämpfen, müde von den sozialen Problemen und müde von der zerstörten Wirtschaft», sagt er. Vielleicht klappt es ja diesmal wirklich?

Auch die Situation in den Flüchtlingslagern ist nicht einfach, erklärt Leben Moro: «Stellen Sie sich vor, Sie sind ständig abhängig von externer Hilfe. Sie können nicht selber Essen anpflanzen oder gar etwas erarbeiten. Alles, was Sie tun können, ist zu hoffen, dass die Hilfsgüter eintreffen. An manchen Tagen bekommen Sie Güter und an manchen Tagen eben nicht. Sie können dies nicht beeinflussen. Dies ist kein Zustand. Die Menschen wollen auf eigenen Beinen stehen».

An dieser Stelle möchte Leben Moro auch seine grosse Dankbarkeit für die Hilfe, die das Land erhält, ausdrücken: «Mehrere Regierungen, NGOs sowie viele grosszügige private Spender und Spenderinnen unterstützen uns». Er selbst hat Familie in Flüchtlingslagern und diese Hilfe ist für sie überlebenswichtig. «Wir sind in dieser Situation wegen all dieser Gewalt. Der Südsudan ist eigentlich ein ressourcenreiches Land. Gäbe es Frieden, wären wir nicht auf Hilfe angewiesen. Das Institut, in dem ich arbeite, setzt deshalb auf Bildung: Junge Menschen sollen eine neue Sicht auf die Welt und die Gewalt erhalten. Wenn sie mit dieser neuen Einstellung aufwachsen, ist Frieden möglich», davon ist Leben Moro überzeugt.

swisspeace Amélie Lustenberger amelie.lustenberger@swisspeace.ch Communications