Eine der unmittelbaren Errungenschaften der tunesischen Revolution von 2011 war die Presse- und Informationsfreiheit. Zuvor waren die Medien mehr als ein halbes Jahrhundert lang von der Regierung instrumentalisiert worden. Nun erfand die Medienlandschaft sich neu. Gleichzeitig arbeiteten die Tunesier:innen an einem neuen Gesellschaftsentwurf, der zwei zentrale Begriffe in die Verfassung von 2014 einführen sollte: Dezentralisierung und partizipative Demokratie. Ziel war es, in einem polarisierten und lange Zeit mundtot gemachten Land Zusammenhalt zu schaffen. Vor diesem Hintergrund unterstützte die Stiftung Hirondelle zwischen 2011, unmittelbar nach dem Sturz des Präsidenten Ben Ali, und 2016 zunächst die Reform mehrerer Regionalsender des tunesischen öffentlichen Rundfunks. So sollte der Zugang zu unabhängigen, zuverlässigen und sachdienlichen lokalen Informationen gefördert werden.
Seit 2020 arbeiten unsere Teams daran, den Dialog zwischen Bürger:innen und Regierenden im zivilgesellschaftlichen Raum zu stärken. Dadurch wollen wir den neu gegründeten oder abgelegenen Gemeinden die Chance geben, das öffentliche Leben tatsächlich gemeinsam zu gestalten. In Zusammenarbeit mit der dänischen Organisation NIRAS setzt die Stiftung Hirondelle den Teil «Medien» des Programms für eine aktive Teilhabe tunesischer Bürger:innen (Participation Active des Citoyennes et Citoyens Tunisiens, PACT) um. Dieses von der DEZA finanzierte Programm ist Teil der Strategie der Schweizer Entwicklungszusammenarbeit für Tunesien.
Übergeordnetes Ziel von PACT ist es, im Rahmen des Dezentralisierungsprozesses zur Stärkung der lokalen Demokratie beizutragen. Hierfür wird unter Einbeziehung aller Interessengruppen ein strukturierter Dialog über verschiedene Themen der lokalen Verwaltung gefördert. Diese Diskussionen zielen darauf ab, die Lebensbedingungen auf lokaler Ebene zu verbessern, die Prioritäten der lokalen Gemeinschaft neu zu definieren und die Beziehungen zwischen der lokalen Verwaltung, dezentralen Verwaltung (Regionaldirektionen, Regierungsbeauftragte), den Bürger:innen und zivilgesellschaftlichen Organisationen auf eine neue Basis zu stellen. In dieser ersten, auf drei Jahre angelegten Phase konzentrieren sich die Aktivitäten auf fünf Gouvernorate in der Zentralregion: Kairouan, Kef, Siliana, Kasserine und Sidi Bouzid (die zusammen fast 20 Prozent der tunesischen Bevölkerung ausmachen).
Konkret wurden sieben Gemeinden dabei unterstützt, Foren zur Initiierung von Projekten zu organisieren, die für sie jeweils von besonderem Interesse sind. Die Stiftung Hirondelle nutzte diese Praxisbeispiele, um ein Netzwerk von 18 lokalen Journalist:innen langfristig aufzubauen und zu schulen, darunter die Korrespondent:innen der halbstaatlichen Agentur Tunis Afrique Presse. Diese berufliche Fortbildung soll dazu beitragen, dass die Medien ihre Aufgabe der Information und der Kontrolle der politischen Entscheidungsträger besser wahrnehmen und so zu mehr Rechenschaft, Dialog und gegenseitigem Vertrauen beitragen können.
Gerade die Vertrauensbildung ist ein zentraler Aspekt dieses Projekts. Um die Unabhängigkeit bei der Ausübung ihres demokratischen Auftrags zu fördern, hat die Stiftung Hirondelle den jungen Mandatsträger:innen ein Medientraining vermittelt. Dieses Training soll ihnen Instrumente für den Aufbau und die Festigung eines Austausch-Netzwerkes zwischen ihnen und der Presse zur Hand geben, das eine gute Information der Öffentlichkeit und eine Debatte auf lokaler Ebene fördert.
