Douma, östlicher Vorort von Damaskus, Ghouta, 23.Juni 2016, Bassam Khabieh

Die anfangs friedlichen Proteste, die sich 2011 in Syrien ereigneten, eskalierten zu einem schweren Konflikt. Dies stärkte das nationale Zugehörigkeitsgefühl vieler Syrer_innen im In- und Ausland und führte zu gemeinsamen Massnahmen mit dem Ziel, erstens den gesellschaftlichen und politischen Wandel in Syrien mitzugestalten und zweitens auf die dringlichsten Bedürfnisse der syrischen Bevölkerung innerhalb und ausserhalb des Landes einzugehen. Viele Länder in Europa und im Nahen Osten beobachteten die Entstehung und Stärkung einer lebhaften und politisch engagierten Zivilgesellschaft unter syrischer Führung, die die drängenden Forderungen an der Basis umsetzen will. Die Universität Maastricht wurde vom Referat für zivilgesellschaftliches Engagement (CSEU) des dänischen Flüchtlingsrats beauftragt, anhand einer Studie herauszufinden, welche Bedingungen den Raum und das Wirken syrischer zivilgesellschaftlicher Organisationen im Libanon, in der Türkei, in Frankreich, Deutschland, Dänemark und Grossbritannien beeinflussen.

Im Rahmen der Untersuchung kam ein handlungsorientierter Ansatz zum Tragen, in dessen Rahmen Zukunftsszenarien und potenzielle Strategien kooperativ und partizipativ ausgearbeitet wurden. Er sollte nicht nur als Instrument zur Erkenntnisgewinnung dienen, sondern auch Raum für die Entwicklung von Zukunftsszenarien und gemeinsamen Handlungsstrategien für die syrische Zivilgesellschaft in den jeweiligen Aufnahmeländern bieten. Aus der Studie gingen eine Reihe von praktischen Überlegungen für Interessengruppen hervor, die mit Akteur_innen der syrischen Diaspora zusammenarbeiten möchten.

Demokratisierung von Entscheidungsprozessen auf internationaler Ebene

Eine künftige politische Einigung in Syrien sollte unter syrischer Führung erfolgen, die in allen Aspekten des wirtschaftlichen und materiellen Wiederaufbaus, einschliesslich Initiativen für die Friedensförderung, Rückkehr und Wiedereingliederung, eine Entscheidungsfunktion übernimmt. Bei einer von oben diktierten Vereinbarung besteht das Risiko eines Zusammenbruchs, da ein differenziertes Verständnis des syrischen Kontexts fehlt. Die Friedensförderung in die Hände von lokalen und volksnahen Akteur_innen zu legen, könnte dagegen für nachhaltigen Erfolg sorgen. Eine stärkere Beteiligung der syrischen Diaspora-Zivilgesellschaft an internationalen Entscheidungsprozessen sollte transparent und demokratisch erfolgen. Hierbei sollten die Auswahlmechanismen dafür sorgen, dass die verschiedenen (unabhängigen) politischen Stimmen gehört werden und Raum für basisdemokratische Politik geschaffen wird. Dazu müssen die unterschiedlichen Zersplitterungen und internen Abspaltungen innerhalb der Diaspora anerkannt werden.

Sicherer Raum für Dialog – konstruktiver Umgang mit Zersplitterung 

Die in Syrien herrschende Konfliktdynamik setzte sich auch innerhalb der Diaspora fort und die entstehenden Splittergruppen widerspiegelten in gewisser Weise die gesellschaftlichen, kulturellen und politischen Abspaltungen, die sich in der Heimat gebildet hatten. Um mit Diaspora-Gruppen in Dialog zu treten, ist ein konflikt- und kontextsensitives Vorgehen erforderlich, das sowohl die potenziellen Risiken und Einschränkungen als auch die gesellschaftspolitische Dynamik bei der Mobilisierung der Diaspora berücksichtigt. Anstatt unter den Akteur_innen der syrischen Diaspora eine einheitliche Stimme und Vertretung zu suchen, sollten die Interessengruppen Raum für Gespräche und Debatten schaffen, damit künftig Vielfalt (anstatt Homogenität) die Zusammenarbeit, das Handeln und den positiven gesellschaftlichen Wandel prägt.

Das Eidgenössische Departement für auswärtige Angelegenheiten unterstützte gemeinsam mit der GIZ die Veröffentlichung der Studie im Rahmen der Diaspora-Arbeit des DRC. Es besteht ein enger Zusammenhang zwischen gewaltsamen Konflikten, Frieden und Migration. Dass Fragilität und bewaffnete Konflikte stets unfreiwillige Migrationsbewegungen auslösen, ist offensichtlich. Die Beeinflussung der Dynamik von Konflikten und von Konflikttransformationen durch Herausforderungen im Zusammenhang mit Migration ist jedoch noch immer zu wenig erforscht. Die Studie trägt dazu bei, diese Dynamik mit Blick auf die Krise in Syrien besser zu verstehen.