Qualifizierungskurs zur "De-Skalierung von Konflikten" im Zaatari Lager , 2018, Dagmar Nolden

„Zuerst war ich schüchtern und dachte, Gewalt ist unlösbar und Frieden gibt es nicht.

[…] Doch mit der Zeit nahm ich die Ideen und Techniken an, die wir [im Kurs] lernten, und begann, sie selbst anzuwenden.

Da bemerkte ich, wie nützlich sie sind und welche Wirkung sie auf mich und andere hatten.

Ich entspannte mich und fühlte mich wohler.

Deshalb setzte ich sie von da an auch auf der Arbeit und zu Hause ein. [… ]

Ich habe festgestellt, dass die Schulung für mein Umfeld und mich sehr nützlich ist,

dass wir alle Frieden und Gewalt in uns tragen

und dass jeder Mensch die Wahl hat,

ob er Frieden oder Gewalt verbreiten will.

Ich habe mich entschlossen, Frieden zu verbreiten, indem ich in Zukunft anwende, was ich gelernt habe.“

Eine Person, die 2018 im Flüchtlingslager Azraq am Qualifikationskurs „Building peace from the inside out“ der Berghof Foundation teilgenommen hat.

Die übliche Darstellung von Geflüchteten als passive Empfänger von Hilfsleistungen oder sogar als Belastung schadet nicht nur ihrem Selbstvertrauen und ihrer Selbstwirksamkeit, sondern schränkt sie auch in ihren Fähigkeiten ein, zu einem konstruktiven sozialen Wandel und zur weltweiten Friedensförderung beizutragen.

Das obige Zitat sowie die Studie zum “Peace-Migration Nexus” von swisspeace und der “Joint Learning Process on Peacebuilding & Migration” von KOFF bestätigen, dass Geflüchtete, intern Vertriebene und Migrant_innen nicht nur über, für die Friedensförderung entscheidende, Fähigkeiten verfügen, sondern unter den geeigneten Bedingungen tatsächlich als Agenten des Wandels agieren und Friedensprozesse positiv beeinflussen können.

Es veranschaulicht zudem das Potenzial von Friedenspädagogik als Schlüssel zu wertvollen Beiträgen für die Friedensförderung. Die Zeit im Exil kann für Geflüchtete durchaus eine gute Gelegenheit sein, eigene Kompetenzen zu stärken.

Bei der Arbeit mit Geflüchteten in jordanischen Flüchtlingslagern mussten wir nicht nur beobachten, dass ihr Wissen und ihre Erfahrungen selten ernsthafte Beachtung erfuhren, sondern auch, dass ihr kreatives und konstruktives Engagement systematisch untergraben wurde. Unter günstigen Rahmenbedingungen konnten wir dagegen Einblicke in mögliche Entwicklungen gewinnen.

Deshalb ist es unserer Ansicht nach an der Zeit, einen Diskurs oder vielmehr einen Dialog zu eröffnen, in dem Menschen, zusätzlich zu ihrem Anspruch auf Leistungen, auch ihre Handlungsfähigkeit behalten. Der Austausch und die gemeinsame Entwicklung von Friedensnarrativen könnten ein interessanter Ausgangspunkt für einen solchen Dialog sein.

 

Gestützt auf unsere Arbeit mit syrischen Geflüchteten in Jordanien sowie theoretische Hintergrundforschungen konnten wir folgende Chancen und Herausforderungen herausarbeiten:

  1. Durch direkten Dialog mit Teilnehmenden/Geflüchteten Handlungsfähigkeiten stärken: Sie müssen als vollwertige Individuen behandelt werden, die in der Lage sind, eigene Entscheidungen zu treffen, und sehen, dass man ihre Bedürfnisse ernst nimmt, indem sie in gemeinsame Entscheidungsprozesse einbezogen werden.
  2. Zeit, Raum und Ressourcen gewähren und mit einem dialogorientierten, partizipativen Ansatz aktiv vertrauenswürdige Beziehungen aufbauen, Kooperation und Zusammenarbeit unter den Teilnehmenden fördern und eine sichere, unterstützende Lernumgebung schaffen. Dieser Ansatz sollte auf Partner_innen aller Ebenen, einschliesslich Geber_innen, ausgeweitet werden.
  3. Direkte und indirekte Gewalt kontext-, konflikt- und traumasensitiv aufarbeiten. Dazu gehören auch Gespräche über strukturelle Gewalt, die allerdings schwere Dilemmas hervorrufen können, wenn jemand in gewaltsamen Strukturen arbeitet.

Das soziale und emotionale Lernen wird durch eine Kombination klassischer Methoden der Friedenspädagogik mit Modulen in den Bereichen interaktives Theaterspiel, Stressbewältigung und Stressresilienz sowie Persönlichkeitsentwicklung unterstützt.

Die Verfügbarkeit von Geldmitteln und kurze Finanzierungszyklen stellen jedoch in der Praxis ein Hindernis dar. Dadurch wird sowohl eine grosse Zielgruppenreichweite als auch eine langfristige Verpflichtung, die vor allem für langwierige Flüchtlingssituationen wichtig ist, erschwert. Die zahlreichen Einschränkungen, beispielsweise durch die aufnehmenden Regierungen, die Lerninhalte kontrollieren oder den Zugang zum Lager streng überwachen, sind zusätzliche Barrieren für die Durchführung von Friedenspädagogikprogrammen in Flüchtlingslagern. Die enge Zusammenarbeit mit Partnern vor Ort ist deshalb unverzichtbar.

Nicht zuletzt ist die Aufnahmestruktur – wenn nicht sogar die gesamte Flüchtlingsregelung, die häufig von direkter, kultureller und insbesondere struktureller Gewalt geprägt ist – eine grosse Herausforderung für die Wirksamkeit, Nachhaltigkeit und Glaubwürdigkeit von Friedenspädagogikprogrammen in Flüchtlingslagern. Um diese Hürden und Herausforderungen zu überwinden, bedarf es weiterer Forschung und gemeinsamer Anstrengungen seitens der internationalen Gemeinschaft, Aufnahmeregierungen und Fachleuten auf diesem Gebiet.