N° 153
Dezember 2017
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Der Migration-Konflikt-Nexus

Laut dem «PRIO Trends in Armed Conflict» und dem «Global Peace Index 2017» nahmen in den letzten zehn Jahren die Anzahl gewalttätiger Konflikte sowie die Zahl der dadurch betroffenen Zivilpersonen zu. Zeitgleich traten Migrationsströme in Erscheinung, welche in ihrem Ausmass an die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg erinnern. In diesem Kontext beschäftigt sich die Forschung intensiv mit dem Zusammenhang zwischen Konflikt und Migration.

Robert Lohrmann beschrieb in seinem Artikel «Migrants, Refugees and Insecurity. Current Threats to Peace?», dass seit dem Ende des Kalten Kriegs eine Verlagerung der Wahrnehmung von Bedrohungen für die internationale Ordnung stattfand. Zunehmend standen nicht mehr militärische Szenarien im Fokus westlicher Sicherheitsakteure, sondern nicht-militärische Bedrohungen. Migrationsströme, so Lohrmann, wurden gleich in dreifacher Weise als Gefahr für den Frieden wahrgenommen: als Bedrohung der nationalen Sicherheit von Herkunfts-, Ursprungs- und Transitländern, als Gefahr für die zwischenstaatliche Sicherheit und als Gefährdung der individuellen menschlichen Sicherheit. Die Migrationsbewegungen selbst sind gemäss Lohrmann mehrheitlich Reaktion auf innerstaatliche Konflikte, systematische Menschenrechtsverletzungen, Armutskrisen und Umweltkatastrophen. Insbesondere illegale Migrationsströme würden in der Folge jedoch erneut zu Konflikten führen, weil sie die vorherrschenden ökonomischen, ethno-religiösen und sprachlich-kulturellen Verhältnisse in den Gastgebergesellschaften der Transit- und Zielländer beeinflussen würden.

Eine solche Wahrnehmung führt jedoch zu einer problematischen Fixierung auf den negativen Zusammenhang von Migration und Konflikten: Migration entsteht aus Konflikten und führt zu neuen Konflikten. Verschiedene Forschende stellten diesen starren Migration-Konflikt-Nexus daher infrage und verwiesen auf die positiven Einflüsse von Migration, etwa auf den globalen Arbeitsmarkt, die internationale Kooperation, die humanitäre Situation von Betroffenen und auf die ökonomischen Entwicklungen der Herkunftsstaaten durch Diaspora-Zahlungen.

Hein de Haas wiederum hebt in seinem viel beachteten Artikel «Migration and Development. A Theoretical Perspective» hervor, dass der Diskurs zu Migration seit langem pendelmässig zwischen «Sicherheitsrisiko» und «Entwicklungsmotor» verlaufe. Die gewählten Argumentationslinien von Entscheidungstragenden in Politik, Wirtschaft und Forschung seien folglich immer im Kontext ihrer zeitgenössischen, ideologischen Prägungen zu verstehen.

Es gilt daher, so lässt sich folgern, übersteigerte Einschätzungen zum positiven Nettoeinfluss von Migration auf die globale Weltordnung kritisch zu betrachten. Ansonsten drohen die Ursachen der Konflikte und die nötigen Prozesse zur Konflikttransformation in den Hintergrund zu geraten. Andererseits entsteht Migration nicht ausschliesslich durch Konflikte und führt nicht zwingend zu mehr Konflikten, sie birgt auch Möglichkeiten für staatliche Entwicklung und die Stabilisierung der menschlichen Sicherheit. Dieses Potential gilt es nicht zu ignorieren, sondern weiter zu verfolgen.