Selbstversorgung mit pflanzlicher Medizin, eine gemeinsame Praxis der Mapuche in Chile, Heiner Heine / Mission 21, 2009

Der Feminismus stellt Körper in den Mittelpunkt der Politik und fordert, dass deren unterschiedliche Bedürfnisse als Rechte respektiert werden. Dies verlangt aber auch, dass die Staaten diese Rechte garantieren.

Die Ankunft an der Vierten Weltfrauenkonferenz in Peking 1995 spiegelte meine persönliche Erfahrung des langen Weges wider, den ich während meiner Arbeit mit der Frauen- und feministischen Bewegung während der chilenischen Diktatur gegangen bin. Die systematische Anprangerung von Menschenrechtsverletzungen; der Aufbau kreativer Formen des Widerstands und der Forderung nach Demokratie – all dies hatte ein solides Netzwerk von Menschen und Organisationen hervorgebracht, welches bis heute fortbesteht. Auch die in Peking geschaffene Aktionsplattform ermutigte staatliche und zivilgesellschaftliche Institutionen, die Geschlechterperspektive in der öffentlichen Politik, in Universitätslehrplänen, bei der politischen Beteiligung in Entscheidungsgremien und in diskriminierenden Regelungen und Gesetzen zu berücksichtigen.

Während die chilenische Zivilgesellschaft in den 80er Jahren Widerstand gegen die Diktatur leistete, kämpfte sie in den 90er Jahren für den Erhalt ihrer Autonomie. Sie sah sich mit einer Regierung im Übergang zur Demokratie konfrontiert, die an eine dem Neoliberalismus dienende politische Verfassung gebunden war. Die Kontrolle über die Körper von Frauen, Jugendlichen und über Diversität, sowie die Kriminalisierung der indigenen Bevölkerung und die Verwüstung der Umwelt reaktivierten soziale Bewegungen in neuen Szenarien und Artikulationen.

In diesem Zusammenhang arbeiten die Partnerorganisationen von Mission 21 in kommunalen Netzwerken, in Sektoren, in denen staatliche Programme mangelhaft sind und an denen der Markt kein Interesse hat. Dies ist etwa der Fall des Dienstes für Entwicklung und Gemeinschaftsbildung (SEDEC) der Methodistischen Kirche in Chile. Im Kontext von CDVID-19 hat SEDEC durch virtuelle Programme eine bedeutende Präsenz erreicht, indem Räume für Selbstfürsorge und emotionale Auseinandersetzung geschaffen wurden, in denen die Weisheit der Mapuche-Kräutermedizin integriert wurde.

Die Mapuche, die grösste ethnische Gruppe in Chile, sind seit Beginn der spanischen Kolonialisierung massiver Diskriminierung ausgesetzt. Sie sind Mapu (Erde) che (Menschen). Und auch in ihrem Fall steht der Körper im Zentrum der Politik, denn sie sehen ihr Land als Teil des Körpers ihres Volkes.

Der Machi (geistliche Berater) Celestino Córdova trat in einen 100-tägigen Hungerstreik, um die chilenische Regierung unter Druck zu setzen, die Konvention 169 der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) einzuhalten, welche die Rechte aller politischen Gefangenen der Mapuche sowie mit Ihnen verbundenen Nicht-Mapuche-Häftlingen schützt.

Dieser Kampf um den Körper wird in dem alternativen zivilgesellschaftlichen Dokument “Luces y Sombras. Fünfundzwanzig Jahre nach der Aktionsplattform von Peking” aufgegriffen. Es prangert “den Rückschritt bei der Ausübung der Frauenrechte” an, “der von Anti-Rechts-Bewegungen gefördert wird, welche die Anwendung von Gewalt und Unterdrückung rechtfertigen, indem sie die Verfolgung und Kriminalisierung von Menschenrechtsverteidiger_innen durch die Begünstigung der Ausbeutung natürlicher Ressourcen und durch die Missachtung der Rechte indigener Völker und Gemeinschaften rechtfertigen”.

Gleichzeitig stellen zivilgesellschaftliche Organisationen wie Mission 21 unter der Leitung von FriedensFrauen Weltweit (PWAG), der Schweizerischen Plattform für Friedensförderung (KOFF) und der cfd (Feministische Friedensorganisation) das Dokument “Frauen, Frieden, Sicherheit und Gewaltprävention: Reflexionen der Zivilgesellschaft im Kontext des Vierten Nationalen Aktionsplans der Resolution 1325” zur Verfügung. Es empfiehlt der Schweizer Regierung, von der Gemeinschaft geführte Definitionen von Sicherheit zu fördern, insbesondere wie sie von Frauen und anderen diskriminierten oder marginalisierten Gruppen definiert werden, und der Sicherheit der Gemeinschaft Vorrang vor der Sicherheit des Staates oder dem Schutz transnationaler Industrien einzuräumen.

Die Gewährleistung des Rechts, ein Leben frei von struktureller und geschlechtsspezifischer Gewalt zu führen, bleibt für alle diskriminierten Menschen eine ungelöste Problematik. Der Zivilgesellschaft, und Mission 21 als Teil davon, kommt die grundlegende Rolle zu, von den Regierungen zu verlangen, dass alle Körper im Zentrum ihrer Politik stehen sollen.

Die feministische Bewegung in Chile setzt sich heute dafür ein, die indigene Bewegung bei der Ausübung ihrer Menschenrechte zu unterstützen, damit ein menschenwürdiges Leben zur Gewohnheit wird.