Anlässlich des zwanzigsten Jubiläums der Pekinger Konferenz schrieb die Bahá’í International Community, eine internationale NGO, die die Anhänger_innen des Bahá’í-Glaubens bei den Vereinten Nationen und in anderen internationalen und regionalen Bereichen vertritt, in einer Stellungnahme:

«Zunächst möchten wir klar unsere Überzeugung darüber zum Ausdruck bringen, dass die Gleichheit von Mann und Frau ein Aspekt der menschlichen Realität und nicht nur ein Zustand ist, der zugunsten des Gemeinwohls angestrebt werden soll. Das, was Menschen zu Menschen macht – ihre angeborene Würde und Erhabenheit – ist weder männlich noch weiblich. Die Suche nach Sinn, Zweck und Gemeinschaft, die Fähigkeit, zu lieben, zu erschaffen und immer weiterzumachen ist nicht an ein Geschlecht geknüpft. Diese Auffassung beeinflusst die Art, wie jeder Aspekt der menschlichen Gesellschaft organisiert ist, grundlegend.»

Heute bestreiten nur noch wenige die Notwendigkeit der Geschlechtergleichheit. Alle sollen den gleichen Lohn für dieselbe Arbeit erhalten, alle sollen wählen können und so zum politischen Leben eines Landes beitragen und alle müssen Zugang zu Bildung haben. Aber ist das genug? Das Konzept der Gleichheit, Kern so vieler Debatten und Aktionen, verdient es, dass man darüber nachdenkt. Was meinen wir mit Gleichheit? Was verstehen wir darunter? Wie wird dieses Verständnis in die Wirklichkeit übertragen? Einige Aspekte können diese Debatte möglicherweise bereichern.

Alle können Gleichheit anerkennen, fördern und dazu beitragen, seien es Einzelpersonen, gesellschaftliche Institutionen und Strukturen oder die Allgemeinheit und Gemeinschaften auf lokaler, regionaler und nationaler Ebene. Ein guter Grund zum Feiern ist, dass so viele sich für das Thema Geschlechtergleichheit einsetzen. Beispiele dafür gibt es genügend: der Frauenstreik in der Schweiz vom Juni 2019 und die Aktionen davor und danach; der Einsatz dafür, dass beide Elternteile die ersten Tage mit ihrem neugeborenen Kind verbringen können, ohne Ferien zu nehmen; die Arbeit an der Basis, die von Behörden und der Zivilgesellschaft zur Unterstützung von Familien geleistet wird, oder auch die Bemühungen seitens höherer Bildungsinstitute, junge Frauen zu einem Studium im Fachgebiet ihrer Wahl zu motivieren. Die Liste ist nicht abschliessend.

Die Bahá’í-Gemeinschaft trägt dazu bei, die Theorie in der Schweiz in die Tat umzusetzen: Sie lädt alle dazu ein, starke und lebendige Gemeinschaften zu bilden, setzt sich in den Bereichen ein, in denen die Geschlechterproblematik diskutiert wird, und sorgt für das Vorankommen dieser Gespräche. Die Zusammensetzung der Bahá’í-Institutionen in der Schweiz zeigt durch die historisch gleichgestellte Vertretung von Frauen und Männern, dass Gleichheit selbstverständlich ist. Auf internationaler Ebene gehört die Umsetzung der Gleichheit von Frau und Mann zu den Hauptaufgaben der Bahá’í International Community. Eine Artikelreihe beschreibt die Anfänge der Bahá’í-Gemeinschaften bei der Umsetzung der Massnahmen zur Geschlechtergleichheit der Pekinger Erklärung in Wohngegenden und Dörfern überall auf der Welt.

2020 ist nicht nur ein Jahr zum Feiern, sondern auch eine Gelegenheit, all unsere Aktionen auszuwerten, die jetzige Realität genau anzuschauen und uns vor Augen zu halten, was noch zu tun bleibt. Die Schweizer Bahá’í-Gemeinschaft widmet sich weiterhin leidenschaftlich dem Engagement für mehr Geschlechtergleichheit sowie der Suche nach weiteren Wegen der Zusammenarbeit, um auf dem bisher Erreichten aufzubauen.