Weibliche Delegierte am Frauenfriedenskongress 1915 in Den Haag. Bild: Creative Commons.

In den neunzehn Jahren seit der Verabschiedung der UNO-Resolution 1325 (United Nations Security Council Resolution, UNSCR) hat die Rolle der Frauen und der Genderthematik in allen Bereichen des internationalen Friedens und der Sicherheit laufend an Bedeutung gewonnen. Die UNO-Resolution 1325 und spätere Resolutionen im Rahmen der Agenda zu Frauen, Frieden und Sicherheit (Women, Peace and Security, WPS) fordern mehr Schutz für Frauen vor sexueller und geschlechtsspezifischer Gewalt in Konfliktsituationen, die Förderung der politischen Partizipation von Frauen, die Prävention von Gewalt gegen Frauen durch die Förderung von Frauenrechten und Geschlechtergleichstellung sowie die Etablierung der Genderthematik in allen mit Frieden und Sicherheit zusammenhängenden Bereichen. Neben der UNO-Resolution 1325 (2000) besteht die WPS-Agenda aus weiteren acht Resolutionen: 1820 (2009), 1888 (2009), 1889 (2010), 1960 (2011), 2106 (2013), 2122 (2013), 2242 (2015) und 2467 (2019).

Das Jahr 2000 als Geburtsjahr der WPS-Agenda zu betrachten, wäre jedoch irreführend, denn die Geschichte des feministischen Aktivismus nahm lange vor der Verabschiedung der UNO-Resolution 1325 ihren Anfang. Beispielsweise tagte im Mai 1919 die neu gegründete Internationale Frauenliga für Frieden und Freiheit (IFFF) in Zürich und fasste eine Reihe von Beschlüssen zur Gleichstellung der Frau, zur Abrüstung und zur Abschaffung des Rechts auf Kriegserklärung sowie der Wehrpflicht. Frauenaktivisten und -aktivistinnen kamen im 20. Jahrhundert weiterhin zusammen und arbeiteten an der Anerkennung der Frauen als zentrale und unverzichtbare Friedensakteurinnen. Die Verabschiedung der UNO-Resolution 1325 war ein direktes Resultat der Arbeit länderübergreifender feministischer Netzwerke, Akteurinnen und Akteure, die sich für die Einbindung von Frauen- und Genderperspektiven in die nationale und internationale Friedens- und Sicherheitsagenden einsetzten.

Mit selbst ausgearbeiteten Nationalen Aktionsplänen (NAP) können UNO-Mitgliedsstaaten die WPS-Agenda auf Landesebene umsetzen und ihr Engagement zur Förderung der Partizipation von Frauen und der Integration einer Genderperspektive in Friedens- und Sicherheitsthemen bekunden. Bis Januar 2019 haben 79 UNO-Mitgliedsstaaten einen NAP zur Umsetzung der UNO-Resolution 1325 verabschiedet. Kürzlich lancierte die Schweiz – eines der ersten Länder überhaupt, die einen NAP zu WPS erarbeitet hatte – ihren vierten NAP mit einer Laufzeit von fünf Jahren (2018-2022). Dieser knüpft an den ersten NAP (2007-2009), den zweiten NAP (2010-2012) und den dritten NAP (2013-2016) an. Zuvor wurde die Umsetzung des dritten Schweizer NAP 1325 (2013-2016) durch die, innerhalb der Abteilung Menschliche Sicherheit (AMS) des Eidgenössischen Departements für auswärtige Angelegenheiten (EDA) gebildete, Interdepartementale Arbeitsgruppe (IDAG) 1325 geprüft. Die IDAG 1325 erstellt Berichte, die anschliessend dem Schweizer Parlament vorgelegt werden. Zudem hat auch die Zivilgesellschaft eine eigene Überprüfung durch die Arbeitsgruppe (AG) 1325 durchgeführt, die einen grossen Kreis von Schweizer zivilgesellschaftlichen Organisationen umfasst. 2016 veröffentlichte die AG 1325 den unabhängigen Alternativbericht „Frauen Frieden Sicherheit – reloaded“, der die Umsetzung der WPS-Agenda in der Schweiz kritisch und umfassend reflektiert und Empfehlungen für zukünftige Massnahmen enthält.

Infolge der Überlegungen und Empfehlungen seitens der AG 1325 im Alternativbericht entstand das Projekt „Beitrag der Zivilgesellschaft zur Umsetzung des Schweizer NAP 1325“ (Civil Society Contribution to the Implementation of the Swiss NAP 1325). Das Projekt wird von FriedensFrauen Weltweit (PWAG), KOFF/swisspeace und cfd – die feministische Friedensorganisation gemeinsam geleitet und greift die im Alternativbericht „Frauen Frieden Sicherheit – reloaded“ ermittelten Themen in zwei Phasen auf. In der ersten Projektphase (2018-2019) wird der jüngste Aufruf zur Verknüpfung der WPS-Agenda mit der breiteren weltweiten Sicherheitsagenda zur „Bekämpfung des Terrorismus“ und zur „Prävention von gewalttätigem Extremismus“ kritisch bewertet. In der zweiten Projektphase (2020-2021) soll untersucht werden, inwiefern sozioökonomische Bedingungen die Partizipation der Frauen im Friedensprozess ermöglichen oder einschränken.

Eines der Hauptziele der schweizerischen WPS-Agenda im vierten NAP 1325 der Schweiz ist die Prävention von gewalttätigem Extremismus (PVE). Die Einstufung von PVE als Priorität im vierten NAP 1325 war zum Teil eine Reaktion auf die Empfehlungen des Ausschusses für die Beseitigung der Diskriminierung der Frau (CEDAW-Ausschuss), die dieser in seiner Betrachtung des dritten NAP 1325 der Schweiz (2013-2016) ausgesprochen hatte. Der Ausschuss drückte Sorge über die „unzulänglichen Anstrengungen, die Genderperspektive in Strategien zur Prävention von gewalttätigem Extremismus und zur Terrorismusbekämpfung einzubeziehen“ aus und empfahl der Schweiz „eine Verstärkung der Bemühungen, die Genderperspektive in Strategien zur Prävention von gewalttätigem Extremismus einzubeziehen und die Fähigkeit von Frauen und Mädchen – darunter auch Frauen aus zivilgesellschaftlichen Gruppen – zu fördern, sich an der Terrorismusbekämpfung zu beteiligen“. Auch die UNO-Resolution 2242 von 2015 rief zu einer Verknüpfung von WPS, PVE und Terrorismusbekämpfung (CT) auf.

Angesichts der Entscheidung, die WPS- und PVE-Agenden in der Schweiz und weltweit zusammenzubringen, engagiert sich die schweizerische Zivilgesellschaft speziell für ein besseres Verständnis der Zusammenhänge der beiden Agenden in der Politik und in der Praxis. Das Projekt „Beitrag der Zivilgesellschaft zur Umsetzung des Schweizer NAP 1325“ hat den Dialog zwischen Zivilgesellschaft und staatlichen Akteuren gefördert und Forschung betrieben, um aus den Erfahrungen von Zivilgesellschaften in herausfordernden Kontexten hinsichtlich PVE und WPS zu lernen. Der Schlusspunkt der ersten Projektphase wird am 18. September 2019 mit einer Konferenz zu WPS und Gewaltprävention in Bern gesetzt. Dort werden die künftigen Auswirkungen der WPS-Agenda in der Schweiz und weltweit debattiert.

Die WPS-Agenda steht den Herausforderungen einer zunehmend militarisierten und sicherheitsbezogenen Welt gegenüber. Viele begrüssen zum Beispiel den Aufruf zur Verknüpfung der WPS- und PVE-Agenden als wichtigen Schritt in der Entwicklung von Sicherheitsagenden mit Genderthematik als zentralem Ausgangspunkt. Andere jedoch fürchten, dass diese Verknüpfung einige Probleme mit sich bringen könnte. Eine Sorge ist, dass die WPS-Ziele – die Stärkung der Frauen und Geschlechtergleichstellung – durch die Verbindung von WPS und PVE zugunsten eines Staatssicherheitsprogramms instrumentalisiert werden, ohne dass die stete Materialleistung, die für ein besseres Leben der Frauen wirklich nötig wäre, tatsächlich erbracht wird. Weiter wird befürchtet, dass Männer als genderspezifische Subjekte übersehen werden und der Fokus der Genderanalyse und der Etablierung der Genderthematik nur auf der Rolle der Frauen in der Gewaltprävention liegt, wodurch die gendergeprägten Stereotypen der Frauen als von Natur aus friedliche Wesen gestärkt würden, ohne einzuräumen, dass auch Frauen Gewalt ausüben können. Ausserdem gibt es Bedenken, dass die Befürwortung von WPS in der PVE-Agenda eine möglicherweise schädliche Sicherheitsarchitektur für Frauen, Frauenrechte und die Zivilgesellschaft allgemein unterstützen könnte. WPS-Akteurinnen und -Akteure sowie Zivilgesellschaftsorganisationen weltweit müssen diese Entwicklung im Auge behalten und sicherstellen, dass die WPS-Agenda weiterhin auf den Grundsätzen der Friedensförderung und der Menschenrechte beruht.

Mit dem Projekt „Beitrag der Zivilgesellschaft zur Umsetzung des Schweizer NAP 1325“ engagiert sich die Schweizer Zivilgesellschaft dafür, das Thema WPS im öffentlichen und politischen Bewusstsein zu stärken sowie die Kluft zwischen Politik und Praxis zu schliessen. Die Förderung der Handlungsfähigkeit von Frauen und die Erarbeitung einer dauerhaften Geschlechtergleichstellung ist für einen nachhaltigen Frieden unerlässlich. Dafür sind die WPS-Agenda und der vierte Schweizer NAP 1325 zentrale Instrumente.