Zum Abschluss des FriedensTischs haben alle Teilnehmerinnen einen Topf mit Erde, Samen und eine Papierblume mit einem motivierenden Spruch erhalten. Bild: PeaceWomen Across the Globe

Die Frauen schreiten durch den üppigen Wald. Sie bleiben an einem Baum stehen, an dem ein gelber Zettel befestigt ist. Darauf steht: «Ich habe verstanden, dass ich mit diesem Schmerz nicht bleiben kann; ich möchte lernen zu vergeben.»

Eine Frau erzählt, sie habe sich das Leben nehmen wollen, der Schmerz der Erfahrungen, die sie während des Konflikts in Kolumbien erlebte, sei unerträglich gewesen. Doch dann entschied sie: «Es kann nicht sein, dass ich den Tätern den Gefallen tue, nicht mehr zu leben, nachdem was man mir angetan hat.»  Die Frauen gehen weiter entlang dem Pfad, an dessen Anfang eine Tafel sie dazu aufrief: «Lasst uns gemeinsam zur Wahrheit schreiten.»

Die 20 Frauen sind Teilnehmerinnen am FriedensTisch, der im Mai in Popayan, im Süden Kolumbiens, stattgefunden hat. Es war der erste von vier regionalen FriedensTischen, die COMUNITAR, die Partnerorganisation von FriedensFrauen Weltweit, in diesem Jahr organisiert. Die FriedensTische in Kolumbien sind Teil eines globalen Programms von FriedensFrauen Weltweit.

In Kolumbien beteiligt sich die «Kommission zur Klärung von Wahrheit, Koexistenz und Nichtwiederholung»  an den FriedensTischen, damit Frauen Teil des Friedensprozesses werden und ihre Erfahrungen nicht in Vergessenheit geraten. FriedensFrauen Weltweit leistet wichtige Unterstützung, zumal der kolumbianische Staat, der die Arbeit der Kommission finanziert, 40 Prozent des Budgets gestrichen hat.

Alejandra Miller Restrepo, Vorstandsmitglied von FriedensFrauen Weltweit und Mitglied der Wahrheitskommission, erklärte in Popayan den Stand des Friedensprozesses und die Ziele der Kommission. Diese will Erfahrungsberichte von Frauen sammeln, damit sie in die Wahrheitsfindung und das historische Gesamtbild des bewaffneten Konflikts einfliessen. Es gehe ihr und der Kommission sowohl um den Schmerz und das Leid der Frauen, als auch um ihre Geschichten des Widerstands – «was ihr getan habt, um zu überleben», sagte sie. Die Frauen sollen nicht nur als Opfer, sondern als Akteurinnen gesehen werden.

Fünf Mitarbeiterinnen lokaler Wahrheitskommissionen nahmen am FriedensTisch teil, um die Aussagen der Frauen aufzunehmen. Oft fällt es ihnen schwer, über ihre Erfahrungen zu sprechen, selbst wenn die Aussagen anonym bleiben. Die Zeit im Kreis der Frauen, die zuhören und verstehen, erleichtert es ihnen aber, sich zu öffnen. Zuhause verdrängen sie die Erinnerung. «Wir trauen uns nicht zu weinen, weil wir die Familie nicht belasten wollen», sagte eine der Frauen. Eine andere sprach aus, was viele dachten: «Hier ist ein Platz, wo wir unseren Gefühlen freien Lauf lassen können. Trauer – und Freude darüber, dass wir nicht alleine sind.»  In Popayan liessen 14 der 20 Frauen ihre Geschichten aufzeichnen.

Die Erfahrungen aus den regionalen Treffen werden am nationalen FriedensTisch, der Ende 2019 in Medellín durchgeführt wird, ausgetauscht. Alle bisherigen Teilnehmerinnen dürfen mitwirken, denn dann geht es um Rechenschaftsablegung und wie die Frauen ihre Ressourcen und Netzwerke stärken können.

Ein zentraler Bestandteil der FriedensTische ist die psycho-soziale Unterstützung. Der Pfad durch den Wald bringt die Frauen, die während des Konflikts von ihrem Land vertrieben wurden, in die Natur und weckt Erinnerungen. Zum Abschluss erhält jede Frau einen Topf Erde, ein Paket mit Samen und eine Papierblume mit motivierenden Sprüchen. Sie haben erfahren, dass sie über die erlebten Gräueltaten sprechen können, dass sie verzeihen können, ohne zu vergessen. Dafür sorgt auch der Prozess der Vergangenheitsbewältigung, in dem der Bericht der Wahrheitskommission eine wichtige Rolle spielen wird.