Menschen-Friedenszeichen am Friedensweg 2019 Kreuzlingen. Foto: Schweizerischer Friedensrat

Beim SDG 16 zum Thema Frieden wird wohl in einmaliger Klarheit deutlich, dass die Agenda 2030 unter Regierungen ausgehandelt worden ist mit einer klaren “Beisshemmung” in Bezug auf friedenspolitische Forderungen. Sicherheitspolitik, Armee und Rüstungspolitik sind auch im Rahmen der UNO Ausdruck der staatlichen Souveränität. So finden sich keine Forderungen zu Rüstungsbeschränkung, Abrüstung oder nur schon Rüstungskontrolle. Nicht einmal der universale Beitritt zu den Abkommen zum Verbot geächteter Waffen oder etwa des Waffenhandelsvertrags (ATT) wird gefordert. In Punkt 16.4. wird einzig verlangt: «Bis 2030 illegale Finanz- und Waffenströme deutlich verringern» (nicht etwa unterbinden).

Ist die Agenda 2030 deshalb aus friedenspolitischer Perspektive untauglich und kann getrost beiseite gelegt werden? Das wäre – in militärischen Begriffen gesprochen – eine Kapitulation im Voraus und zugleich eine Akzeptanz der Unantastbarkeit des Militärischen in der internationalen Politik. Es ist gerade in der aktuellen Diskussion um die Klimakatastrophe elementar, daran zu erinnern, dass Krieg immer noch die schlimmste Form der Umweltzerstörung darstellt, auch wenn “das Zivile” längst seine “Unschuld” verloren und in Bezug auf Zerstörungspotenzial massiv aufgeholt hat. Sich darauf zu beschränken, «zivile Lösungen» zu fordern, greift deshalb grundsätzlich zu kurz. Das belegt gerade die Agenda 2030, die überzeugend aufzeigt, wie grosser Handlungsbedarf in den verschiedensten Bereichen besteht.

Die “Schwäche” des SDG 16 in Bezug auf konkrete friedenspolitische Postulate sollten wir als Chance nutzen. Dass nicht ausformulierte Postulate keiner Überprüfung ihrer Umsetzung bedürfen, eröffnet einen Interpretationsspielraum, was denn konkret im Bereich der Sicherheitspolitik geändert werden sollte, damit die Ziele der Agenda 2030 insgesamt erreicht werden können. Das beginnt bei der Höhe der Militärausgaben, deren Sparpotenzial ausgelotet werden muss, um in anderen Bereichen dringend benötigte Mittel freizubekommen. Insbesondere in der Schweiz ergibt sich auch die günstige Gelegenheit, die aktuelle sicherheitspolitische Konzeption zu hinterfragen, die sich auch zwanzig Jahre nach dem Ende der Blockkonfrontation noch nicht vom Kalten-Kriegs-Denken hat emanzipieren können. Im Beitrag «Die Schweizer Politik vom Frieden her denken und gestalten» im NGO-Bericht zur Umsetzung der Agenda 2030 «Wie nachhaltig ist die Schweiz?» haben Anna Leissing und ich aufgezeigt, wie eine solche Umorientierung aussehen kann, mit einer Abkehr von der überholten autonomen Verteidigung als Grundpfeiler der Sicherheitspolitik hin zur Beteiligung am System der kollektiven Sicherheit der UNO (und OSZE) als Hauptaufgabe der Armee, was zugleich endlich den grundsätzlichen Verzicht auf Kriegsmaterialexporte ermöglicht. Zugleich stärkt dies die Stellung der Schweiz innerhalb der UNO und gibt ihrer Kandidatur für einen nichtständigen Sitz im Sicherheitsrat für 2023 zusätzliche Legitimation. Wird unsere Verteidigungsministerin, die mit viel Mut unkonventionelles Denken ins VBS hinein gebracht hat, auch bereit und imstande sein, ein solches Umdenken in der Sicherheitspolitik anzustossen? Wir sind gerne bereit, ihr bei dieser Herkulesaufgabe mitzuhelfen.