Titelbild des Berichts. Foto: Paul Jeffrey, Cox’s Bazar

Jahrelang mussten wir eine weltweite Schwächung der grundlegenden Bürgerrechte mitansehen: Die Meinungs-, Versammlungs- und Pressefreiheit wird in vielen Ländern zunehmend eingeschränkt. Als Reaktion darauf hat HEKS zusammen mit der Dan Church Aid und Bread for the World als «Act Alliance» eine Studie in Auftrag gegeben, welche die Rolle der Zivilgesellschaft bei der Erreichung der Entwicklungsziele untersucht.

Der daraus entstandene Bericht basiert auf Fallstudien, die in Brasilien, Kambodscha, Nepal und Simbabwe durchgeführt wurden, und auf 12 Länder-Desk-Studies. Er analysiert die Rolle der Zivilgesellschaft für die Erreichung der Entwicklungsziele und zeigt wie ihr eingeschränkter Handlungsspielraum sich bereits negativ auf die Erreichung gewisser Ziele auswirkt und weiter auswirken wird.

Wer und wie am zivilgesellschaftlichen Raum teilgenommen wird, hat sich verändert: Der schwindende zivilgesellschaftliche Raum schränkt liberale Menschenrechtsakteure ein und erweitert gleichzeitig den Einfluss von rechten, extremistischen und konservativen Gruppen. Die zunehmende Digitalisierung hat zudem dazu beigetragen, dass widerspenstige Protestbewegungen aller Akteure mehr Platz einnehmen.

Politische Eliten verkleinern den zivilgesellschaftlichen Raum im Rahmen von nationalen Kämpfen um politische und wirtschaftliche Macht. Konflikte um die Nutzung von natürlichen Ressourcen und Land haben sich als Hauptgründe für die Einschränkung des zivilgesellschaftlichen Raums herausgestellt.

Die Entwicklungsziele werden ohne eine voll engagierte Zivilgesellschaft scheitern. So lautet das wichtigste Ergebnis der Studie. Mit der Einschränkung des zivilgesellschaftlichen Raums riskieren wir, Fortschritte wie; mehr Gleichheit, die Sicherstellung der Integration und bessere Nachhaltigkeit, wieder rückgängig zu machen.  Denn oft sind es gerade die Ausgegrenzten, die ein grosses Risiko laufen, von der Entwicklung “zurückgelassen” zu werden. Die Studie kommt daher zu dem Schluss, dass ein starker zivilgesellschaftlicher Raum nicht optional, sondern ein Muss ist, um eine nachhaltige Entwicklung zum Wohle aller sicherzustellen.

Das Entwicklungsziel 16 hat eine doppelte Rolle in Bezug auf die Auswirkungen einer eingeschränkten Zivilgesellschaft. Erstens führt die Schrumpfung des zivilgesellschaftlichen Raums zu einer Verschlechterung der Entwicklungsergebnisse des Ziels 16 in Bezug auf Gewalt, Menschenrechtsverletzungen, Missbrauch der Rechtsstaatlichkeit, soziale und politische Ausgrenzung und auf die breiteren Perspektiven für friedliche, stabile und gerechte Institutionen. In den Fallstudien zeigte die Hälfte der Unterziele des Entwicklungsziels 16 messbare Anzeichen einer Verschlechterung infolge spezifischer Einschränkungen des zivilgesellschaftlichen Raums. Die Bemühungen der Regierung, den zivilen Raum zu begrenzen, haben unmittelbare Auswirkungen auf die Rolle der Zivilgesellschaft beim Aufbau von Vertrauen in polarisierenden Gesellschaften.

Zweitens beziehen sich die Ergebnisse von Entwicklungsziel 16 auch auf die Kapazitäten der zivilgesellschaftlichen Akteure zum Schutz öffentlicher Institutionen, geleitet durch die folgenden Schlüsselelemente: Armut und Hunger, Arbeit, Lebensgrundlagen und Umwelt. Massnahmen gegen Aktivisten_innen der Zivilgesellschaft untergraben die Grundfreiheiten der Vereinigungs-, Meinungs-, Versammlungs- und Schutzfreiheit sowie die Fähigkeit der Zivilgesellschaft und von Menschenrechtsverteidigern_innen, die Regierungspolitik zu überprüfen. Der Aufbau und die Sicherung effektiver, rechenschaftspflichtiger und integrativer Institutionen auf allen Ebenen ist daher eine Voraussetzung für die Umsetzung der Agenda 2030.

Die wichtigsten Ergebnisse der Studie auf einen Blick:

– Der schrumpfende Raum der Zivilgesellschaft behindert die soziale und wirtschaftliche Entwicklung und die Erreichung der Entwicklungsziele.

– Die Einschränkung des zivilgesellschaftlichen Raums hindert Organisationen der Zivilgesellschaft daran, sich an der Formulierung von Richtlinien zu beteiligen, Rechte zu überwachen, das Bewusstsein zu schärfen, die Stimme gefährdeter Bevölkerungsgruppen zu vertreten und Partnerschaften aufzubauen.

– Wenn der zivilgesellschaftliche Raum begrenzt ist, besteht die Gefahr, dass wichtige Stimmen ausgeschlossen werden und das soziale Misstrauen wächst. Letztendlich erhöht dies die Ungleichheiten und macht die Entwicklung weniger nachhaltig.

– Der zivilgesellschaftliche Raum ist unerlässlich, um transparente und nachprüfbare Informationen sicherzustellen. Wenn objektive Daten aufgrund des schrumpfenden zivilgesellschaftlichen Raums fehlen, wird das Vertrauen in offizielle Daten und die politische Leistung sinken.

– Die Schwächung der Zivilgesellschaft kann eine permissive Kultur der Korruption unter den Elitegruppen ohne ausreichende Kontrolle verstärken. Dies könnte nicht nur das Vertrauen in die Regierung untergraben, sondern auch erhebliche Wirtschafts-, Ernährungs- und politische Krisen auslösen.

– Die Überbetonung grosser Infrastrukturprojekte und des Wirtschaftswachstums konkurrieren zunehmend mit dem Diskurs der Inklusion und gefährden damit das zentrale Entwicklungsziel-Prinzip “niemanden zurücklassen”.