Zivilisten, die sich vor Angriffen aus der Luft am Weihnachtstag schützen. Foto von Hkun Li

Myanmar hat darum gekämpft, ein kollektives Gefühl der nationalen Identität in einer Bevölkerung mit über 100 ethnischen Gruppen aufzubauen. Die grösste Herausforderung besteht jedoch weiterhin darin, dass insbesondere ethnische und religiöse Minderheiten kein Zugehörigkeitsgefühl zur Nation verspüren. Stattdessen übertrumpfen ihre ethnischen oder religiösen Identitäten oft ihre Identität als Bürger und Bürgerinnen Myanmars. Warum ist das so?

Erstens ist der Name “Myanmar” selbst eine Quelle der Kontroverse. Viele ethnische Minderheiten glauben, dass Myanmar nur ein weiterer Begriff ist, der eigentlich «Burma» meint, ein Name der sich aus der ethnischen Gruppe der burmesischen (Bamar) ableitet. Viele Burmesen_innen im Regierungssystem sehen sich nicht als eine von vielen ethnischen Gruppen. Stattdessen verstehen sie sich als “Eigentümer_innen” oder “Gastgeber_innen” des Landes und alle anderen als “Migrierende oder Gäste”. Die Burmanisierungspolitik der früheren Militärjunta spaltete viele Jahrzehnte lang Mehrheits- und Minderheitengruppen. Aufgrund der Teilungstaktik der Junta und des Fehlens einer qualitativ hochwertigen Bildung kennen viele zivile Burmesen und Burmesinnen die Kämpfe der Minderheiten nicht. Von den 14 Regionen Myanmars sind sieben nach ethnischen Gruppen benannt, was zu weiteren Komplikationen bei kleineren Bevölkerungsgruppen aus verschiedenen ethnischen Gruppen führt. Auch sie werden teilweise nur als “Migrierende- oder Gäste” in der Region wahrgenommen.

Die Verfassung des Landes besagt, dass alle Bürger und Bürgerinnen gleich zu behandeln sind und Religions- oder Glaubensfreiheit besteht. In der Praxis haben ethnische und religiöse Minderheiten aber grosse Schwierigkeiten, eine Beschäftigung in der Regierung zu finden. Auch die Religionsfreiheit religiöser Minderheiten wird im ganzen Land stark eingeschränkt. Laut einem Politologen führte die systematische Unterdrückung ethnischer und religiöser Minderheiten zu bewaffneten Konflikten zwischen den ethnischen Gruppen der Shan, Kachin, Karen und Kareni und zum Wachstum der ethnischen Identitäten der Wa und Rohingya in den letzten Jahrzehnten.

Einer der Hauptgründe für das Scheitern des Friedensprozesses unter der Zivilregierung war die Wahrnehmung der Vertretenden ethnischer Minderheiten, dass sie von den burmesischen Führenden nicht als gleichwertig angesehen oder mit Respekt behandelt wurden. Der Friedensprozess weckte bittere Erinnerungen an den Verrat der Burmesen, die das Panglong-Abkommen von 1947 brachen.

Um das gebrochene Vertrauen wiederherzustellen, muss die Zivilregierung noch die Art und Weise verbessern, wie sie mit verschiedenen ethnischen und religiösen Gruppen umgeht. Die Regierung sollte sicherstellen, dass Minderheiten während der Sitzungen und Verhandlungen des Friedensprozesses gehört und respektiert werden. Eine Möglichkeit, dies zu tun, besteht darin, dass Regierungsvertretende darauf verzichten, die Gefühle von “uns” und “ihnen” zu verwenden, wenn sie mit ethnischen und religiösen Minderheiten interagieren.

Wenn die Zivilregierung keine Politik entwickelt, die zu einer dauerhaften Versöhnung zwischen Burmesen_innen und ethnisch-religiösen Minderheiten führt und ihre demokratischen Werte in ihrer Regierung erfüllt, könnte der Kampf, dem Myanmar heute gegenübersteht, die Nation in Zukunft noch mehr denn je spalten.