Eine Frau erhält psychologische Unterstützung im CAP in Sidi Moussa. Foto von cfd
cfd Stephanie Hofer Stephanie.Hofer@cfd-ch.org Programmverantwortliche Maghreb

In den 90er Jahren herrschte in Algerien ein blutiger Krieg zwischen islamistischen Gruppierungen und der Staatsgewalt. Tausende von Menschen starben und um die 20’000 Personen sind verschwunden. Die Zahl der vergewaltigten Frauen ist unbekannt, wird aber sehr hoch geschätzt. Ein Grossteil der Bevölkerung hat Massaker miterlebt, wurde verletzt und/oder lebte unter der ständigen Bedrohung durch Angriffe. 1999 wurde Abdelaziz Bouteflika Präsident. Sein Lösungsansatz für den Umgang mit der Vergangenheit heisst «nationale Versöhnung». Die entsprechenden Gesetze erlauben eine pauschale Amnestie sowohl für die bewaffneten Sicherheitskräfte des Staats als auch die Islamisten_innen, die alle gegen internationales Recht und die Menschenrechte verstossen haben. Doch die Gewalt der 90er Jahre ging nicht spurlos an den Menschen vorbei.  Die Struktur vieler Familien und die Verteilung der Pflichten und Aufgaben zwischen den Geschlechtern hat sich verändert. In vielen Familien wurden die Beziehungen und damit die Kommunikation der Familienmitglieder untereinander zerstört.

Die Association pour «l’Aide Psychologique, la Recherche et la Formation» SARP, ein Fachverband von Psychologen_innen, hat in der Provinz Sidi Moussa eine Studie durchgeführt. Sie stellte fest, dass posttraumatische Belastungsstörungen, Depressionen und Ängste weit verbreitet sind. In der Folge baute sie dort ein interdisziplinäres Zentrum für psychologische, soziale und juristische Unterstützung (Centre d’aide psychologique CAP) für Opfer des Terrorismus auf. Der cfd unterstützt das CAP und seine Arbeit seit 2005.

Ziel des Projektes ist die Wiederherstellung des inneren und sozialen Friedens. Die Hilfe für Gewaltopfer wird im politisch und sozial schwierigen Kontext von Sidi Moussa umfassend angegangen. Das CAP bietet psychologische, soziale und juristische Unterstützung für Einzelpersonen und Gruppen an. Der psychosoziale Ansatz steht dabei im Vordergrund. Das bedeutet, dass in Beratungen oder Therapien ein Zusammenhang zwischen psychischer und sozialer Lebenswirklichkeit hergestellt wird und die Klienten_innen und Patienten_innen versuchen, die Folgen ihrer Traumata zu überwinden. Es geht um die Befindlichkeit der Menschen, ihr Inneres, Gefühle und Gedanken im Verhältnis zur Umwelt. Gemeinsam wird versucht, die individuellen und sozialen Dimensionen der Zerstörung durch den gewaltsamen Konflikt zu bearbeiten. Viele Menschen in Sidi Moussa leben sozial zurückgezogen und haben eine Mauer des Schweigens um sich aufgebaut, weil die traumatischen Erlebnisse nicht verarbeitet wurden. In der konkreten Arbeit kann es daher helfen, in Gruppen zu arbeiten. Die Patienten_innen können so erkennen, dass sie mit ihrem Verlust und der Trauer nicht alleine sind.

Seit 2011 arbeitet zudem eine Schweizer Psychologin mit den algerischen Psychologen_innen der SARP zur Methode der «Themenzentrierten Interaktion»TZI und begleitet sie als Supervisorin. In dieser Arbeitsweise geht es darum, Selbständigkeit und Eigenverantwortung im Kontakt mit anderen zu stärken: Jeder Mensch ist Motor für sich selbst und muss für sich entscheiden, was im Leben wichtig ist und was verändert werden kann.  Die Patienten_innen stärken sich in diesem Prozess selbst. Sie «erfahren» Empowerment und die soziale Zugehörigkeit kann wiederhergestellt werden. Die Methode wird meist in der Gruppenarbeit angewandt, eignet sich jedoch auch für die Einzeltherapie.

cfd Stephanie Hofer Stephanie.Hofer@cfd-ch.org Programmverantwortliche Maghreb